Aktivist über Bettelverbote in Hamburg: „Durch die Stadt gescheucht“

Mit einer Demo will eine Initiative will auf die Situation obdachloser Menschen hinweisen. Die Ignoranz in Politik und Gesellschaft sei groß.

Eine Bettlerin in der Hamburger Innenstadt

In Hamburg nun nicht mehr gern gesehen: Bett­le­r:in­nen in der Innenstadt Foto: Daniel Reinhardt/dpa

taz: Samuel, die Initiative „Solidarische Straße“, die zur Solidarität mit Obdachlosen zu einer Demonstration am Samstag in Hamburg aufruft, hat sich vor zwei Wochen erst gegründet, warum?

Samuel: Die Polizei scheucht momentan die Obdachlosen durch die Stadt und hindert sie am betteln. Betroffene Personen haben uns angesprochen: „Die Polizei war gerade bei mir und hat gesagt ich darf nicht mehr betteln!“ Unter den Betroffenen ist eine große Verunsicherung. Dadurch wird auch die Arbeit der Straßensozialarbeit verhindert. Stra­ßen­so­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen sind häufig die einzigen Menschen, die den Leuten Unterstützung anbieten. Das wird dadurch abgebrochen. Die Polizei torpediert die Arbeit des Hilfesystems. Das hat eine Wut in uns erzeugt.

Wer ist „wir“?

Wir sind eine bunt besetzte Initiative. Einige von uns arbeiten auch beruflich mit Menschen, die von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen sind. Wir sind viel im Austausch mit den betroffenen Personen. Andere haben aber auch ganz andere Berufe. Wir haben auch Kontakte zu diversen anderen Hamburger Einrichtungen: GoBanyo, Ragazza und Straßensozialarbeiter.

Was fordern Sie von der Politik?

Demonstration gegen Vertreibung, Bettelverbot und Polizeigewalt von Obdachlosen: Samstag, 15.4., 13 Uhr, Hansaplatz, St. Georg

Unsere Forderungen sind zweigeteilt. Zum einen haben wir ganz konkrete Forderungen an den Senat und die Polizei: Wir möchten, dass die Vertreibung und Ausgrenzung, die gerade stattfindet, gestoppt wird. Wir fordern, dass die Betroffenen betteln dürfen und Zugang zu Sozialleistungen bekommen. Außerdem ist mehr Wohnraum eine ganz zentrale Forderung. Die Stadt hat sich zum Ziel gemacht, Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden. Unserer Wahrnehmung nach geschieht da zu wenig.

Was ist der zweite Pfad Ihrer Forderungen?

Uns ist es wichtig, dass wir uns nicht nur an die Politik richten. Wir fordern die Menschen auf, die hier in der Stadt leben, sich mit Obdachlosigkeit auseinanderzusetzen. Wir erleben es oft genug, dass Menschen nicht mit Armut in Kontakt treten möchten und einfach wegschauen. Es gibt eine große Ignoranz diesem Thema gegenüber. Das Betteln ist für das Shopping-Erlebnis einfach nicht so gut.

ist einer der Ak­ti­vis­t:in­nen der Hamburger Initiative „Solidarische Straße“.

Der Senat spricht in seiner Antwort an eine Anfrage der Linken von „negativen Auswirkungen der Obdachlosigkeit“. Können Sie das nachvollziehen?

Nein, können wir nicht. Die negativen Auswirkungen haben ja wohl vor allem die von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen zu tragen. Es werden die Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen gegeneinander ausgespielt. Das ganz große Problem bei der Argumentation des Senats ist, dass „obdachlos“ einfach als Label für Menschen mit ganz vielen unterschiedlichen Bedürfnissen verwendet wird. Dabei ist das Thema sehr vielschichtig: Obdachlosigkeit, eine verfehlte und auf Repression ausgelegte Drogenpolitik oder der unmenschliche Umgang mit obdachlosen Menschen aus osteuropäischen Ländern – alles wird hier in einen Hut geworfen. Weiterhin wird dabei vernachlässigt, dass es für die obdachlosen Personen existentiell ist, sich im innerstädtischen Bereich aufzuhalten und sich die Vertreibung auf somit negativ auf ihr Lebenswelt auswirkt.

Die Demonstration ist die erste Veranstaltung von Solidarische Straße. Wie geht es weiter?

Mit der Demonstration wollen wir erst mal Solidarität mit den Betroffenen zeigen. Danach schauen wir Mal wie es weiter geht. Bedarf gibt es auf jeden Fall.

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