SPD Berlin stimmt für Schwarz-Rot: Jetzt kommt der Praxistest

Eine Mehrheit ist eine Mehrheit: Die SPD-internen KritikerInnen sollten jetzt abwarten, wie Schwarz-Rot unter Kai Wegner (CDU) tatsächlich agiert.

Franziska Giffey und Raed Saleh schauen sich an

Sehen so Sieger aus? SPD-ChefInnen Franziska Giffey und Raed Saleh Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Das Schöne an Abstimmungen: Es ist keine Frage der Interpretation, wer gewonnen hat. Es gibt keine angreifbaren Schiedsrichterbewertungen wie beim Eiskunstlauf, nur zwei Zahlen: die der Ja-Stimmen und die der Nein-Stimmen. Und mit 50 Prozent plus eine Stimme – nicht wie bei Verfassungsänderungen einer Zweidrittelmehrheit – hat das, worüber entschieden wurde, nun eine demokratische Basis. Insofern ist ohne Belang, wie groß die Mehrheit ist, die beim SPD-Mitgliederentscheid für Schwarz-Rot gestimmt hat. Das sagte auch kurz vor Abstimmungsende Landeschef Raed Saleh.

Die 54 Prozent Ja-Stimmen geben nun grünes Licht für den weiteren Ablauf: Am Montag wird ein CDU-Landesparteitag mutmaßlich einstimmig dem Koalitionsvertrag zustimmen samt Benennung der künftigen CDU-Senatorinnen und Senatoren, am selben Tag Vorstellung der SPD-Senatsmitglieder, am Donnerstag im Parlament die Wahl von Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister, dem ersten mit CDU-Parteibuch seit fast 22 Jahren.

Über den hat sich jüngst Kevin Kühnert ausgelassen, SPD-Generalsekretär und Bundesabgeordneter für Tempelhof-Schöneberg. „Dieser Mann verkörpert wenig von meiner Heimatstadt, in der ich seit bald 34 Jahren lebe“, ließ er den Spiegel zitieren. Wer weiß, vielleicht denkt Wegner Ähnliches über Kühnert. Zum einen aber sagt er es nicht, zum anderen ist es irrelevant. Entscheidend ist, dass Kühnert das Votum seiner Berliner Parteifreunde akzeptiert – und dazu gehört auch ein Regierungschef Wegner.

Nach der bundesweiten SPD-Abstimmung 2018 über ein Bündnis mit der CDU, das damals noch zu Recht Große Koalition genannt wurde, machte Kühnert, damals noch Bundeschef der Jusos, in ersten Reaktionen nicht den Eindruck, die damals deutliche Mehrheit wirklich zu akzeptieren. Es ist zu hoffen, dass das in seiner jetzigen Rolle anders ist. Kühnert hat Vorbildfunktion für viele SPDler. Falls er Wegner und seine künftige schwarz-rote Regierung boykottieren würde, wäre das eine klare Verletzung demokratischer Spielregeln und eines Generalsekretärs der Partei Willy Brandts nicht würdig.

Stattdessen sollte er Wegner nun erst mal machen lassen. Nicht Berlin repräsentierend? Latent rassistisch? Nicht fortschrittlich? All das, was sich vor allem die CDU zuletzt hat anhören müssen, steht nun auf dem Prüfstand. Ob es wirklich so ist, kann nur der Praxistest zeigen.

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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