Radsportklassiker „La Doy­enne“: Zwei machen’s allein

Am Sonntag startet in Liège der älteste Radsportklassiker. Mit Remco Evenepoel und Tadej Pogacar sind zwei Spezialisten für Solofahrten favorisiert.

Das Fahrerfeld bei Lüttich-Bastogne-Lüttich in Frühlingslandschaft

Eigentlich ein Gemeinschaftserlebnis: Lüttich–Bastogne–Lüttich 2022 Foto: Stefano Sirotti/imago

Man könnte glauben, dass Remco Evenepoel und Tadej Pogacar griesgrämige Typen sind. In Rennen, die ihnen etwas bedeuten, suchen sie gern die Einsamkeit. Pogacar setzte sich bei der Flandernrundfahrt 17 Kilometer vor dem Ziel von seinem einzig verbliebenen Begleiter ab. Das war vor drei Wochen. „Ich musste allein weg­fahren, um eine Chance auf den Sieg zu haben“, kommentierte er seinen Sieg.

Letzte Woche legte er nach, gewann das Amstel Gold Race, erneut als Solist. Am Mittwoch beim Flèche Wallonne musste er nicht früh ausreißen, sondern konnte sich auf den Schluss­anstieg verlassen: Erst an der berühmte Mauer von Huy fuhr er allen davon.

Diesen Sonntag steht wieder Lüttich–Bastogne–Lüttich, auch „La Doy­enne“ genannt. Im vergangenen Jahr gewann Evenepoel. Selbstverständlich allein. Sein Solo ging über 27 Kilometer. „Fahrer wie ich, die über keinen guten Sprint verfügen, müssen früh das Rennen schwer machen, um die anderen abzuschütteln“, lautete ­Evenepoels Expertise.

In diesem Jahr will bei dem ältesten Klassiker Titelverteidiger Evenepoel dem bisherigen Frühjahrskönig Pogacar das Ardennen-Triple verwehren. Siege im selben Jahr bei Amstel, Flèche Wallonne und eben „La Doyenne“; das gelang nicht einmal Eddy Merckx.

Eddy Merckx über Remco Evenepoel

„Ich kann nur Bewunderung aufbringen für ihn“

Evenepoel und Pogacar dominieren aktuell den Straßenradsport, gerne mit langen Solo-Attacken, doch an diesem Sonntag wird das wohl nur einem gelingen. Das ist eine besondere Konstellation beim mittlerweile 22. Auf­einandertreffen der beiden.

Pogacar wird auch der „kleine Kannibale“ genannt, eine Anspielung auf Eddy Merckx. Doch Evenepoel galt auch eine Weile als der „neue ­Merckx“, bis ihn zu große Eigenmächtigkeiten bei WM und Olympia 2021 aus der Gunst von Big Eddy purzeln ließen. Zu Evenepoel war das Verhältnis länger gestört, obwohl der ähnlich intuitiv und spektakulär fährt. Erst Evenepoels WM-Sieg im letzten Herbst entlockte Merckx mal wieder Liebesworte. „Ich kann nur Bewunderung aufbringen für ihn. Er ist wirklich eine besondere Saison gefahren“, sagte er über seinen Landsmann.

Bei Evenepoel kam auch noch der Gesamtsieg der Vuelta hinzu. Er ist damit aktuell der einzige Profi, dessen Vielseitigkeit an die des zweifachen Tour-de-France-Siegers Pogacar heranreicht. Er kann Grand Tours gewinnen – und Klassiker auch. Im Zeitfahren ist er sogar besser als Pogacar. In allen vier Zeitfahren, die die beiden bislang gemeinsam bestritten, kam der Belgier vor dem Slowenen ein.

Bei großen Rundfahrten haben sich die beiden noch nicht duelliert. Das kann frühestens bei der Vuelta dieses Jahres geschehen. Nach Meinung nicht nur von Merckx wird das die den Radsport bestimmende Auseinandersetzung der kommenden Jahre. Evenepoel gewann neben Lüttich–Bastogne–Lüttich bereits zwei Mal das megaharte baskische Eintagesrennen Klasikoa San Sebastian, Pogacar siegte vor zwei Jahren in Lüttich und fügte Siege bei der Lombardei-Rundfahrt, Flandernrundfahrt, Amstel und Flèche Wallonne hinzu.

Auch Pogacar sieht den aus einer Rennpause kommenden Belgier als seinen härtesten Rivalen in Lüttich: „Remco kommt aus dem Höhen­trainingslager. Er wird gute Form haben. Er ist auch der Titelverteidiger, und er zeigte schon zu Saisonbeginn, dass er supergut bei den kleineren und kürzeren Anstiegen ist.“ Früh wegfahren, wie Pogacar es liebt, kann er ja auch noch.

Beim Kampf um den dritten Platz haben der britische Mountainbike-Olympiasieger Tom Pidcock, der von seinem zweiten Platz an der Mauer von Huy beflügelte Däne Mattias Skjekmose und der Russe Alexander Wlassow die besten Aussichten.

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