Studie zu altersgerechtem Wohnen: Wohnungsnot trifft Altersarmut

Nur wenige Se­nio­r*in­nen leben in altersgerechten Wohnungen. Mit dem Älterwerden der Babyboomer werde sich die Lage verschärfen, warnt eine Studie.

Ein Rollator in einem Treppenflur

Oft wichtig im Alter: mit Rollator oder Rollstuhl in die Wohnung kommen Foto: T.Seeliger/snapshot-photography/imago

BERLIN taz | Es braucht nicht lang, um Beispiele zu finden, dass Deutschland vom altersgerechten Wohnen weit entfernt ist. Für Menschen, die auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, war es schon immer schwer, geeigneten Wohnraum zu finden. Es betrifft aber auch die noch mobile Nachbarin im Rentenalter, die sich immer mühsamer die Treppen hochhievt.

Die aktuelle Situation wird sich mit dem Älterwerden der geburtenstarken Jahrgänge, den sogenannten Babyboomern, massiv zuspitzen. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie „Wohnen im Alter“ des Pestel-Instituts, die vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) in Auftrag gegeben wurde.

Über 21 Millionen Menschen werden in zwanzig Jahren zur Altersgruppe „67 plus“ gehören, prognostiziert die Studie – rund 3,6 Millionen mehr als heute. Deutschland sei auf diese Entwicklung „schlecht vorbereitet“, sagte der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, bei der Vorstellung der Studie am Montag in München. Neben dem derzeitigen Rekordwohnungsmangel von 700.000 fehlenden Wohnungen stehe dem Land ein „massives Alterswohnproblem“ bevor.

Nach Angaben des Pestel-Instituts benötigen schon aktuell 2,8 Millionen Haushalte eine altersgerechte Wohnung. Doch nur 600.000 Haushalte hätten derzeit eine Wohnung, in der Menschen mit Rollator oder Rollstuhl zurechtkämen, etwa ohne Treppen und mit stufenfreiem Zugang zur Dusche. Im Jahr 2040 würden laut Studie 3,3 Millionen solcher Wohnungen gebraucht, damit alte Menschen möglichst lange zu Hause bleiben können. 2050 werde es Regionen geben, wo „über 40 Prozent der Bevölkerung Senioren sein werden“, sagte Matthias Günther.

Studienleiter warnt vor „grauer Wohnungsnot“

Die Studie geht davon aus, dass derzeit nur rund jede siebte Wohnung altersgerecht ist. Ein Problem sei dabei, dass ein Großteil davon gar nicht von älteren Menschen bewohnt werde. „Barrierefreiheit ist ein Komfortmerkmal, und solche Wohnungen werden über den Preis vergeben, nicht nach Bedürftigkeit“, kritisierte Günther. Deutschland sei auf bestem Weg in die „graue Wohnungsnot“.

Die Studie nimmt nicht nur den Anteil der Ren­te­r*in­nen in den Blick, sondern auch die Einkommenssituation. Mehr als die Hälfte der Se­nio­r*in­nen habe weniger als 2.000 Euro netto im Monat zur Verfügung. Dies sei nicht nur wegen der steigenden Mieten ein Problem. Auch Se­nio­r*in­nen im selbst genutzten Eigentum seien häufig mit Modernisierungskosten überfordert.

Das Armutsrisiko Nummer 1 sei die Pflegebedürftigkeit im Alter. Im Schnitt koste schon heute der Eigenanteil in der stationären Pflege 2.410 Euro im Monat. „Am Ende ist es also ganz oft der Staat, der einspringen muss“, so Günther. Allein deshalb müsse der Staat ein Interesse an deutlich mehr altersgerechten Wohnungen haben, damit Menschen möglichst lange in der eigenen Wohnung bleiben können.

Günther verwies dabei auf das kürzlich gestartete Förderprogramm „Junges Wohnen“ des Bundesbauministeriums und forderte ein ähnliches Programm für ältere Menschen. Der Bund müsse dafür mindestens eine halbe Milliarde Euro pro Jahr für altersgerechten Neu- und Umbau bereitstellen.

Die Linkenpolitikerin Caren Lay bezeichnete die drohende Wohnungsnot für Se­nio­r*in­nen als „alarmierend und beschämend“. Neben einer sozial gerechten Wohnungs- und Rentenpolitik brauche es „mehr Sozialwohnungen und ein Mietrecht, das Wohnungstausch ohne Nachteile möglich macht“. Se­nio­r*in­nen sollten in kleinere Wohnung ziehen dürfen, ohne am Ende mehr Miete zu zahlen, sagte sie T-Online.

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