Umbenennung von Twitter: Ein Wort mit X

Twitter Inc. hat einen neuen Namen. Damit treibt Elon Musk seine Umbaupläne voran. Scheitern könnte er ausgerechnet an einem Punkt.

Ein rotes X auf grauen Hintergrund

Twitter heißt nun X – was steckt dahinter? Foto: taz

Gäbe es einen einzelnen Buchstaben, der möglichst universell das Wort „alles“ abbilden würde – welcher wäre es? Das O wäre wohl ein guter Kandidat mit seiner Unendlichkeitsanalogie, eben die 8 ohne Gürtel. Allerdings lässt sich das O leicht mit der Null verwechseln, und die ist nun eher das Gegenteil von alles. Dann also doch das X. Der Buchstabe, der maximal unentschlossen oder eben vielfältig ist in seiner Richtung, der in mehreren Sprachen als Platzhalter einsetzbar ist und der damit im Prinzip für alles stehen kann.

Kein Wunder daher, dass Multimilliardär Elon Musk den Buchstaben mit einer gewissen Obsession in seine Firmen und Produkte einbaut. Vom Weltraumunternehmen SpaceX über Teslas Model X und einem frisch gegründeten Unternehmen für künstliche Intelligenz namens X.AI – bis dahin, dass aus Twitter Inc. nach einer Fusion und Namensänderung nun X Corp. geworden ist. Das Ganze geht aus Gerichtsdokumenten hervor und wurde vergangene Woche von einem pseudonymen Twitter-Account publik gemacht.

Nun kann es natürlich sein, dass die Fraktion der Be­ob­ach­te­r:in­nen recht hat, die kalauert „Twitter heißt jetzt X, sonst ändert sich nix“. Eine von Musks üblichen Troll-Aktionen also, die zwar in der Regel Auswirkungen auf die Wirklichkeit haben, aber meist nicht so weltumwälzend, wie sich das manche ausmalen. Das Twitter-Logo kürzlich durch das der Spaß-Kryptowährung Dogecoin zu ersetzen, war etwa so eine Troll-Aktion.

Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. Musk plant nämlich schon seit Längerem, Twitter zu einer App für alles auszubauen. Vorbild ist das chinesische WeChat, eine App für alle Bedürfnisse und Lebenslagen vom Bezahlen über die Kommunikation bis zum Nachweis von negativen Corona-PCR-Tests. Gleichzeitig ist es eine Art Metaapp, in der andere Anwendungen laufen können. Ein Alltag in China ohne WeChat ist nur noch höchst eingeschränkt möglich. So eine Entwicklung hat Folgen.

Schon bei einer bloßen Social-Media-Anwendung wie Instagram oder Whatsapp ist der Netzwerkeffekt – der Sog, den Online-Dienst zu nutzen, den auch alle anderen verwenden – riesig. Bei einer App für alles kann dagegen von einem Netzwerkeffekt eigentlich keine Rede mehr sein. Schließlich würde der zumindest ein gewisses Maß an Freiwilligkeit voraussetzen. Wenn es aber ohne eine App praktisch nicht mehr möglich ist, einen Arzttermin zu buchen, ein Taxi zu bestellen oder in einer Pandemie bestimmte Orte zu betreten – dann ist das eine extreme Form von Digitalzwang. Und quasi nebenbei auch ein perfekter Knotenpunkt für alle Arten von Überwachung sowie, hier treffen sich China und Musk wieder, für Meinungsmache.

Politische Agenda

Denn Musk proklamiert zwar sein Free-Speech-Paradigma, die Idee einer freien Rede. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit will die möglichst gar keine Grenzen setzen. Doch in einer Äußerungslogik ohne Regeln, in der auch Hassrede oder Aufrufe zu Straftaten nur Meinungen sind, gilt eben in der Praxis doch ein Gesetz, nämlich das der Stärkeren, Lauteren, Rücksichtsloseren. Und Musk hat durchaus eine politische Agenda mit klarem rechtslibertären Profil.

Er sprach sich zuletzt vor den Kongresswahlen im Herbst für die Republikaner aus und will beispielsweise statt schnellen und effektiven Maßnahmen gegen den Klimawandel lieber den Mars besiedeln. Auch das könnte man als typische Trollerei abtun, wenn Musk nicht – qua Reichtum und Reichweite – so mächtig wäre. Mit einer App für alles würde daher nicht nur ein neues Niveau der kommerziellen Konzentration entstehen, sondern auch der Meinungsmacht.

So gesehen hat es etwas Ironisches, dass Musks Pläne vor allem an einem scheitern könnten: ihm selbst. Denn dass Twitter noch Relevanz hat nach den Massenentlassungen, angesichts des immer rauer werdenden Kommunikationsklimas und mit dem zunehmenden kommerziellen Druck, liegt daran, dass eine massenkompatible Alternative noch nicht in Sicht ist. Aber das kann sich ändern. Es wäre eine der raren Gelegenheiten, in denen der zweitreichste Mensch der Welt ein paar irdische Grenzen zu spüren bekommt.

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