Abregelung von Biogasanlagen: Wenn der Wind weht, fackelt Biogas

Der Ausbau des Stromnetzes in Deutschland hält nicht mit der Energiewende Schritt. Besonders für Betreiber von Biogas-Anlagen hat das Folgen.

Luftaufnahme einer Biogasanlage

Eine Biogasanlage im niedersächsischen Eilringen Foto: Philipp Schulze/dpa

FREIBURG taz | Landwirt Jens Soeken zählt die Stunden. Zum Beispiel im Januar: Insgesamt 213 Stunden musste der Bauer aus Großefehn in Ostfriesland die Biogasanlage abschalten, mit der er Strom und Wärme liefert. Das ist fast ein Drittel des Monats. Es lag nicht daran, dass Soeken die nötige Biomasse – zum Beispiel Pflanzen, Biomüll oder Gülle – ausgegangen wäre, durch deren Vergärung das Gas entsteht. Stattdessen wurde er abgeregelt. So heißt es, wenn der Netzbetreiber den Betreiber eines Kraftwerks zum Abschalten zwingt, um eine Überlastung der Stromnetze zu verhindern.

Deren Ausbau hält mit der Energiewende nicht Schritt. Gerade in Norddeutschland ist wegen des erfolgreichen Windradbaus oft zu viel Strom da, um ihn über das Netz dorthin zu leiten, wo er verbraucht werden könnte. So wie Soeken geht es deshalb vielen Landwirten. Ihre Biogasanlagen werden abgeregelt. In Niedersachsen seien besonders die Regionen Ostfriesland, Rotenburg/Wümme und quasi alle Landkreise auf der Achse Bremen-Hannover-Hildesheim-Braunschweig sowie alle Küstenregionen betroffen, heißt es beim Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen (LEE).

„So schlimm wie seit Mitte Dezember war es noch nie“, sagt Soeken. Früher habe seine Anlage nur bei Sturm vom Netz gehen müssen, heute geschehe das oft schon bei nur mäßigem Wind.

Praktisch heißt das: Soeken bekommt Einnahmeverluste zwar ersetzt, in seiner Anlage entsteht unterdessen aber weiter Gas. Irgendwann ist der Speicher voll. Dann muss der Bauer das Gas ungenutzt abfackeln. Besonders bitter: Soeken liefert mit seinem Biogas-Kraftwerk nicht nur Strom, er versorgt auch einige Nachbarn mit Wärme. Schaltet der Netzbetreiber Soekens Anlage wegen Netzengpässen ab, kann der auch keine Wärme mehr liefern. „Dann müssen meine Nachbarn ihre fossil befeuerten Heizungen einschalten, während ich das Biogas abfackle“, sagt der Landwirt.

Zu viele Regelungen

Grundsätzlich wäre es zwar möglich, das Biogas in Zeiten von Stromüberschuss zur alleinigen Wärmeerzeugung zu nutzen. Doch eine solche technische Aufrüstung der Anlage werfe so viele Genehmigungsfragen auf, dass jeder Landwirt davon die Finger lasse, sagt Soeken.

Die Bundesnetzagentur gibt in ihrem Monitoringbericht für 2021 eine abgeregelte Biogas-Strommenge von gut 72 Millionen Kilowattstunden an. Diese Menge entfällt praktisch vollständig auf Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Fast drei Viertel des Ausfalls sind der Behörde zufolge durch Engpässe im Übertragungsnetz verursacht, das sind die großen überregionalen Stromleitungen. Der Rest kommt durch nicht ausreichende Verteilnetze, die direkt zum Endverbraucher führen.

Das Problem verschärft sich: „In letzter Zeit häufen sich in Niedersachsen auch Abregelungen über 80 Stunden hinaus“, sagt Joost Kuhlenkamp, Referent für Bioenergie und Wärme beim LEE Niedersachsen/Bremen. Kein Landwirt könne für eine derart lange Abschaltung einen Speicher vorhalten. Üblicherweise werden die Speicher so dimensioniert, dass die Landwirte ihre Stromerzeugung im Tagesrhythmus auf jene Stunden verschieben können, in denen der Strom am meisten gebraucht wird. Das ist auch für die Betreiber wirtschaftlich attraktiv, weil sie in den Stunden der Knappheit am Strommarkt höhere Erlöse erzielen.

Der Fachverband Biogas hat nun eine veränderte Abschaltreihenfolge vorgeschlagen. Die Lobbygruppe will Anlagen bevorzugen, die neben Strom auch Wärme liefern. Das hätte dann zur Folge, dass Windräder gegenüber manchen Biogasanlagen das Nachsehen hätten.

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