Förster über Gefahren im Wald: „Äste der Buche brechen wie Glas“

Vor Totholz, Zecken und Waldbränden warnt Förster Axel Henke aus Boppard am Rhein. Er rät Besuchern, auch mal nach oben zu schauen.

Baumkronen von Buchen

Blick in die Baumwipfel Foto: Harald Biebel/imago

taz: Herr Henke, Sie warnen vor neuen Gefahren in unseren Wäldern. Haben Sie jetzt Wölfe im Pfälzer Wald?

Axel Henke: Ach, Wölfe! Es gibt ein paar standorttreue Rudel in Rheinland-Pfalz, aber die kennt die Bevölkerung und weiß mit ihnen umzugehen. Durchziehende Wölfe stellen kaum Gefahr für Waldbesucher dar, eher für die Verkehrsteilnehmer.

leitet das Forstamt Boppard. Er betreut damit 19.000 Hektar Wald zwischen Bingen und Boppard, entlang des Rheins und auf dem Hunsrück. Dort wachsen 80 Prozent Laub- und 20 Prozent Nadelbäume.

Wovor warnen Sie dann?

Vor neuen Gefahren in Folge des Klimawandels. Durch die Dürre und Hitze der vergangenen Jahre hat in einigen Regionen fast jeder Baum tote Äste. Äste und abgestorbene Bäume sind eine riesengroße Gefahr für Waldbesucher. Wenn ein Sturm aufzieht oder es Windböen gibt, kommen die Bäume in Schwingung, die Äste fallen runter oder Bäume um.

Gab es schon Unfälle in Ihrem Wald?

Bei Waldbesuchern nicht, aber bei Waldarbeitern. In den vergangenen Jahren hatten wir drei Todesfälle im Land, weil trockene Äste unerwartet herabgestürzt waren. Waldarbeiter haben einen lebensgefährlichen Job. Ihr Risiko, sich zu verletzen oder gar tödlich zu verunglücken, steht übrigens in keinem Verhältnis zur Bezahlung. Besonders gefährlich sind die Grün-Äste bei Douglasien und Fichten. Das Holzgewebe ist abgestorben, aber es sind noch Nadeln dran, man sieht das nicht. Oder aber Äste oben in der Krone der Buche, die brechen wie Glas. Es gibt es einen Knall und sie fallen runter.

Was raten Sie Waldbesuchern?

In Deutschland – weltweit eine Ausnahme – gibt es ein freies Betretensrecht für den Wald. Eine tolle Sache, wir laden die Menschen ein, ihre Freizeit im Wald zu verbringen. Gerade deshalb rate ich ihnen, dass sie sensibler für die Totholz-Problematik werden, dass sie auch mal nach oben gucken und sich nicht an abgestorbene Bäume anlehnen. Sie können sich im Wald nicht bewegen wie in einem Park, in dem totes Holz ständig herausgeschnitten wird. Wird es windig, dann raus aus dem Wald.

Müssen die Waldbesitzer doch das Totholz entfernen?

Das brauchen wir doch, es ist wichtig für die Biodiversität. Abgesehen davon – auf einen toten Baum dürfen sich Waldarbeiter nur auf Baumlänge nähern, den können sie nicht einfach absägen. Wenn also mehrere tote Stämme herumstehen, können sie dort nicht mehr arbeiten. Wir müssen die Stämme vorsichtig mit Maschinen umziehen.

Wie lange steht ein toter Baum?

Kommt darauf an. Eine tote Eiche bleibt 20 Jahre stehen, die hat ein sehr hartes Holz. Die Fichte vielleicht 5 bis 10 Jahre, die Buche vielleicht nur ein Jahr. Sie kann innerhalb von 6 Wochen absterben und verrottet sehr schnell durch Bakterien und Pilze. Darum stellt sie auch die größte Gefahr dar, und wir sind hier Buchenland.

Wer haftet für Schäden?

Erst einmal die Waldbesitzer, häufig auch die verantwortlichen Förster. Allerdings müssen Wanderer wissen: Die Haftung besteht nur auf öffentlichen Wegen und Straßen, an Wanderparkplätzen, Schutzhütten, überall dort, wo der Waldbesucher eingeladen wird. Auf Wanderwegen gilt keine Haftung.

Die sichern Sie nicht extra?

Das haben wir bisher gemacht, aber jetzt nehmen die kranken Bäume und abgestorbenen Äste so sehr zu, dass das nicht mehr möglich ist. Wir müssten den halben Wald fällen. Rund um Waldkindergärten, an einigen besonderen Besucher-Hotspots, da gucken wir noch zwei Mal im Jahr nach gefährlichen Stellen und beseitigen sie. Mehr geht nicht.

O. k., aufgepasst auf fliegende Äste. Was kommt noch?

Es kommen neue Insekten, einheimische vermehren sich stärker. Beide profitieren von der Wärme. Das gilt etwa für den Borkenkäfer, der die Fichte schädigt, für den Eichenprachtkäfer oder den Eichenprozessionsspinner. Der bildet Härchen, die Allergien und Asthma beim Menschen auslösen können. Die Nester an Eichen tauchen immer häufiger auf, aber nur in der Nähe von Kindergärten oder Spielplätzen können sie entfernt werden. Das sind einige Gruppen von Insekten, die sich jetzt besser vermehren, das gilt auch für Zecken. Früher war Zeckenzeit von April bis Oktober, inzwischen sind sie im Winter ab 5 Grad aktiv. Außerdem gibt es neue Arten, etwa die bis zu zwei Zentimeter große Hyalomma-Zecke aus den Tropen, die neue Krankheiten überträgt. Wir hoffen, dass sie sich nicht ausbreitet, aber wahrscheinlich ist sie schon auf dem Vormarsch.

Na toll. Totholz, Zecken – sonst noch was?

Klar, die Waldbrandgefahr ist extrem gestiegen. 95 Prozent der Waldbrände sind durch Menschen verursacht. Also bitte, Rauchen ist im Wald verboten, Feuer machen sowieso. Da haben wir alle eine riesige Verantwortung.

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