Geleakte Chatnachrichten bei Springer: Unser Trump

Springer-Chef Mathias Döpfner verkörpert ein Großbürgertum im Verfallsstadium – noch dumpfer und bösartiger, als zu befürchten war.

Mathias Döpfner

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Wenn man die von der Zeit kolportierten Chats und E-Mails von ­Mathias Döpfner liest, ist die größte Überraschung die Überraschungslosigkeit. Der Springer-Chef denkt genau so, wie man es vermutet hatte – elitär und ressentimentgeladen. Alles, was anders als der freie, individualistische, neoliberale Westen ist, erscheint verachtenswert. „Fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs“, heißt es.

Die Ostdeutschen seien allesamt „Faschos oder Kommunisten“. Kollektive empfindet der distinguierte Großbürger als ästhetische Beleidigung. Die ostdeutsche Masse ekelt ihn. Diese Phantasmen und brodelnden Vorurteile verraten eine Herrenmenschenattitüde, die an finstere antidemokratische Traditionen erinnert. Anderes siedelt nah an der AfD wie die stumpfsinnige Beschönigung des Klimawandels.

Offenbar spülen die Kämpfe in der Ex-Führung des Springer-Verlags diese Vertraulichkeiten an die Oberfläche. Es ist zwar grenzwertig, private Chats zu veröffentlichen – hier aber dient es der Aufklärung.

Döpfner ist, dank des Wohlgefallens der Springer-Witwe, zum CEO eines global einflussreichen Medienkonzerns aufgestiegen. In manchem erinnert er an Trump: nicht so vulgär, aber ebenso beseelt von der Ideologie der rechten US-Libertären, für die das Ich alles, die Gesellschaft nichts und der Staat der Gegner ist. Mit Trump verbindet Döpfner auch, dass sein größtes Talent ist, sich selbst für absolut großartig zu halten.

Friede Springer hat ihrem Protegé 2019 Aktien im Wert von einer Milliarde Euro geschenkt – mit einem legalen Trick steuerfrei. Dass solche Gaben am Fiskus vorbei möglich bleiben, dafür sorgt der FDP-Finanzminister, dessen Partei von Bild auf Ansage des Verlegers publizistisch unterstützt werden sollte.

Das noble Selbstbild der BRD bekommt Kratzer

Würde das in einer politisch korrekten Comedyshow vorgetragen, man hielte es für ein ödes Klischee. Aber es ist eben auch – wahr. Das noble Selbstbild der Bundesrepublik als einer Vorzeigedemokratie bekommt da doch ein paar Kratzer. Wenn man sich die destruktive Machtballung im Hause Springer anschaut, erscheint die schläfrige Biederkeit der Öffentlich-Rechtlichen in recht mildem Licht.

Am Ende bleiben „nur Kunst und Liebe“, so zitiert die Zeit den Springer-Chef. Döpfner verkörpert eine Art Großbürgertum im Verfallsstadium, noch dumpfer, hässlicher und bösartiger, als es zu befürchten war. Die aggressive Verachtung des Kollektiven, das näselnd Elitäre, das enthemmte Libertäre und die Gier nach Geld ergeben ein übel riechendes Gebräu.

Gäbe es noch Restbestände von Anstand bei Springer, müsste der Verlag diesen Chef sofort vor die Tür setzen. Damit ist nicht zu rechnen. Fallen wird Döpfner nur, wenn die Gewinne ausbleiben.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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