Feuerwehr-Ausfall auf Social Media: „Braucht uns möglichst nicht“

Wegen eines Großbrands warnt Hamburgs Feuerwehr vor einer „extremen Gefahr“ – aber nicht über Social Media. Da gibt es eher PR in eigener Sache.

Ein Mann filmt mit seinem Handy Wasserstrahlen, die von Leitern aus auf Rauchwolken niedergehen.

Brandbekämpfung läuft, Social Media bleibt Privatsache: Feuer bei Autoverwerter in Rothenburgsort Foto: Jonas Walzberg / dpa

Es ist Ostersonntag, kurz nach sieben Uhr morgens. Durch die Wohnung schrillt dieser blecherne Ton, als hätten in einem dystopischen Film die Guten bei ihrer Flucht aus dem Internierungslager die Lichtschranke passiert und so die Wachmannschaft in Alarm versetzt.

Doch es ist nur das Kind, das schlaftrunken und verängstigt über den Flur wankt. „Großbrand in Rothenburgsort“, lautet die Entwarnung nach einem Blick aufs Smartphone. „Kannst wieder schlafen gehen.“ Stimmt, den Ton kennen wir vom Testlauf im Dezember. Warum auch diesmal, im offensichtlichen Ernstfall, wieder nur ein Handy schrillt und die anderen beiden, vom selben kalifornischen Hersteller und neueren Datums, schweigen – das ist eine Frage, die erst viel später aufkommen wird.

Dass die Nachricht vom bundesweiten Warnsystem Cell Broadcast vor „extremer Gefahr“ warnt, dass wir die Fenster geschlossen halten sollen, wegen möglicher giftiger Gase – das alles hat Zeit bis später. Und erst Recht der Hinweis, man solle sich über die üblichen Nachrichtenkanäle informieren, denn sonst wäre es mit der Nachtruhe endgültig vorbei.

Nur noch schnell auf den Link … die Warnung sei nicht vorhanden, heißt es da. Hmm – vielleicht auf Twitter? Der Account der Hamburger Feuerwehr wünscht nur „frohe, bunte, gesunde und sonnige Ostern. Lasst es Euch gut gehen und braucht uns möglichst nicht“. Gesendet um Punkt 5 Uhr früh.

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Da waren die Kollegen des ersten Löschzugs schon unterwegs zum Firmengelände des Autoverwerters, auf dem zahlreiche alte Kühlschränke brannten und später Container mit unbekannter chemischer Ladung explodierten. Doch die Social-Media-Schicht hatte offensichtlich Osterurlaub und nur einen zeitgezündeten Tweet hinterlassen. Auf Facebook sah es nicht besser aus. Und auch hamburg.de schlief den Schlaf der Gerechten.

Im Lauf des Vormittags berichtete zwar das Hamburger Abendblatt – allerdings hinter seiner Paywall, also nur für Abonnent:innen. Der NDR immerhin hatte in seinen Radionachrichten um 8 einen kurzen Schnipsel. Wenig später tweetete zumindest die Hamburger Polizei eine Warnmeldung. Da brannte es seit vier Stunden.

Die Feuerwehr selbst brauchte fast doppelt so lange, bis sie eine eigene Gefahrenmeldung auf Twitter veröffentlicht hatte – gerade noch rechtzeitig vor der Entwarnung, dass doch keine giftigen Gase gemessen worden seien. Da waren schon Busse und S-Bahnen ausgefallen, auch Fernzüge verspätet – und die meisten An­woh­ne­r:in­nen wegen beißenden Geruchs und sichtbaren Feuerscheins vermutlich von selbst einen halben Tag lang drinnen geblieben.

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Ob man etwas daraus lernen kann? Vielleicht, dass die Social-Teams bei Polizei und Feuerwehr nicht hinreichend ausgestattet sind. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Prioritäten nicht stimmen: Soziale Medien sind für die Sicherheitskräfte offensichtlich vor allem ein Mittel der Imagewerbung. Und da reicht es, wenn sie nur „nine to five“ bespielt werden. Ihre Sicherheitsrelevanz, ihr Wert als echter Informationskanal wird dagegen unterschätzt.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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