Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Ganz dicht dran

Die Ampel hat ihre Pläne zur Cannabis-Legalisierung abgeschwächt, um das EU-Recht zu wahren. Immerhin ist der Besitz bald straffrei.

Karl Lauterbach, Cem Oezdemir

Özdemir (links) und Lauterbach stellen Eckpunkte zur Cannabislegalisierung vor Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Gute Nachrichten für Gras­lieb­haber:in­nen: Die Cannabis-Legalisierung geht voran. SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Grünen-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir haben am Mittwoch neue Eckpunkte vorgestellt. Sie bilden die Grundlage für einen Gesetzentwurf, der noch im April entstehen soll.

Die Legalisierungspläne stellen Lauterbach und Özdemir als zwei „Säulen“ vor. Die erste, „schnelle“ Säule sieht vor, dass der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei wäre. Das entspricht etwa 50 Joints. Zudem darf man bis zu drei weibliche Cannabispflanzen besitzen – die weiblichen Pflanzen enthalten den Wirkstoff THC.

Diese Regeln gelten auch rückwirkend: Menschen, die Einträge im Bundeszentralregister haben, weil sie mit unter 25 Gramm Gras erwischt wurden oder Pflanzen besaßen, können diese löschen lassen.

Im Koalitionsvertrag wurde außerdem der freie Verkauf von Cannabis in lizenzierten Geschäften festgelegt. Das wird auf bundesweiter Ebene zunächst nicht umgesetzt. Stattdessen soll der Verkauf zunächst über sogenannte Cannabisclubs geschehen. Die Clubs sollen als „nicht gewinnorientierte Vereine“ organisiert werden und Mitgliedern den Verkauf von privat angebautem Cannabis ermöglichen. Die Mitgliederzahl wäre auf 500 beschränkt. In den Vereinsgebäuden dürfen weder Cannabis noch Alkohol konsumiert werden.

Modellregionen als „zweite Säule“

Mitglieder können dort maximal 25 Gramm auf einmal und 50 Gramm pro Monat kaufen, unter 21-Jährige nur bis zu 30 Gramm. Die Abgabe darf außerdem nur in Reinform erfolgen, also ohne Streckung oder Verunreinigung durch andere Stoffe. Zudem gilt für die Clubs ein Mindestabstand zu Schulen und Kitas. Grundsätzlich soll der öffentliche Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten sein und in Fußgängerzonen darf erst ab 20 Uhr gekifft werden. Wie die Kontrollen der Clubs und Privatpersonen konkret ablaufen sollen, bleibt den Ländern überlassen.

Seit der ersten Präsentation der Legalisierungspläne Ende 2021 gab es öffentlich immer wieder Bedenken, ob sich diese im Rahmen von EU-Recht und internationalem Recht überhaupt umsetzen lassen. Insbesondere der Verkauf von Cannabis über lizenzierte Geschäfte ist aufgrund des Schengener Durchführungsübereinkommen schwierig.

Kristine Lütke, Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der FDP

„Ein schlechter Tag für Dealer und Schwarzmarkt, ein guter für Freiheit, Jugend- und Gesundheitsschutz!“

Als eine Art Kompromiss hat Lauterbach nun das „Zwei Säulen“ Konzept entwickelt. Die zweite Säule des Legalisierungsplans: In Modellregionen in Deutschland sollen, begrenzt auf 5 Jahre, erste kommerzielle Lieferketten eingerichtet, also lizenzierte Geschäfte zugelassen werden. Das ganze soll wissenschaftlich begleitet werden – ergebnisoffen, wie beide Politiker betonen.

Er halte es für sehr wahrscheinlich, so Lauterbach, dass dies eine bundesweite Legalisierung nach sich ziehen würde. Eine Garantie gebe es aber nicht. „Ich kann nicht ausschließen, dass es bei der ersten Säule bleibt“, sagte er.

Aufklärung für Jugendliche

Die Abstimmung mit der EU-Kommission ist unerlässlich, das weiß auch Lauterbach. „Ich möchte nicht den gleichen Fehler machen wie ihn ein Bundesverkehrsminister möglicherweise mal gemacht hat“, sagt er und beide Politiker müssen schmunzeln. Eine Anspielung auf den ehemaligen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, der schon Verträge mit Privatunternehmen geschlossen hatte, bevor die Pkw-Maut 2019 vom Europäischen Gerichtshof kassiert wurde.

Die Bundesregierung will sich nun auf EU-Ebene mit anderen europäischen Staaten zusammenschließen, um an einer europaweiten Strategie zur Legalisierung von Cannabis zu arbeiten. Der Legalisierungsprozess soll außerdem Hand in Hand mit verstärkter Aufklärung für Jugendliche einhergehen. Laut Özdemir soll dafür auch das Bildungssystem einbezogen werden. Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.

Die Regelungen zum Cannabiskonsum in den Niederlanden seien kein Vorbild für Deutschland, sagt Lauterbach, sondern eher ein Negativbeispiel. „Die Niederlande haben die Nachteile kombiniert: Dort gibt es einen üblen Schwarzmarkt, viel Kriminalität, unsichere Produkte und einen gemeinsamen Konsum.“

Die Reaktionen aus den eigenen Reihen, insbesondere seitens der Grünen und der FDP, waren zuvor recht ungeduldig gewesen. Nun erklingt von allen Seiten Begeisterung. „Ein schlechter Tag für Dealer und #Schwarzmarkt, ein guter für Freiheit, Jugend- und Gesundheitsschutz!“, twitterte Kristine Lütke, Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der FDP.

„Was wir seit eineinhalb Jahren gefordert haben“

Kritik gab es von der CSU. „Es ist ein Gebot der Vernunft, diese Freigabepläne ganz zu stoppen – juristisch wie gesundheitspolitisch“, vermeldete der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion Bernhard Seidenath. Cannabis sei kein „harmloses Kraut“, sondern „gefährlich, eine hochpsychoaktive Droge“.

Auch die Gewerkschaft der Polizei zeigte sich unzufrieden. Der Besitz von maximal drei Pflanzen oder 25 Gramm Cannabis pro Person sei in der Praxis „prinzipiell nicht kontrollierbar“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Eine polizeirechtliche Grundlage für das Zählen von Cannabis-Blumentöpfen in Privatwohnungen werde es sicherlich nicht geben, sagte er weiter.

Wie sieht es bei den Be­für­wor­te­r:in­nen der Legalisierung aus? Andreas Müller, Jugendrichter und Drogenaktivist, sagte der taz: „Säule 1, die Entkriminalisierung, das ist das, was wir seit eineinhalb Jahren gefordert haben. Jetzt kapieren die Damen und Herren von der Ampel auch mal, dass das der richtige Weg ist.“

Auch die Zeitschiene sei vernünftig. Cem Özdemirs Ankündigung, dass es noch im April einen entsprechenden Gesetzentwurf geben werde, habe ihn gefreut. „Bis Mai, Juni könnte so ein Gesetz dann durch sein“, schätzt Müller. „Hoffen wir, dass es so kommt. Denn wenn nicht, bekommt die Ampel auch ein Problem mit Millionen Cannabis-Konsumenten, die sie zufriedenstellen müssen. Das, was Lauterbach und Özdemir nun endlich vorgelegt haben, ist schließlich nur eine pragmatische Lösung, die hinter dem ganz großen Wurf zurückbleibt.“

„Keinen Arsch in der Hose“

Auch Details der ersten Säule hält der Jugendrichter für sinnvoll, obwohl er den Eindruck habe, dass es den Po­li­ti­ke­r:in­nen in vielen Bereichen an Kenntnis fehle. „Eigenanbau, wie er geplant ist, wird den Druck auf die Konsumenten nehmen. Außerdem gewöhnt sich die Bevölkerung daran. Die Kriminalisierung von Konsumenten hätte endlich ein Ende.“ Allein bei den Social Clubs könne es noch juristische Hürden geben.

Die zweite Säule hält Müller dagegen für weitaus problematischer. „Am Ende kommt bei den Modellregionen vielleicht nicht viel raus.“ Denn es fehle der politische Wille zum großen Wurf. „Die Beteiligten haben einfach keinen Arsch in der Hose.“ Richtig legal sei Cannabis damit auch auf absehbare Zeit nicht, aber immerhin: entkriminalisiert. Das Zwei-Säulen-Modell dürfte die gesellschaftliche Diskussion über Cannabis zwar beruhigen, aber noch lange nicht beenden.

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