Übernahme von Credit Suisse: Der Deal der Großbanken

Von der Pleite der Credit Suisse und der Übernahme durch die UBS profitieren vor allem Wirtschaftsanwälte und Kanzleien. Darüber redet kaum jemand.

Eine Frau mit gelbem Regenschirm geht an einer Filiale der Schweizer bank Credit Suisse vorbei

Vor einer Crédit-Suisse-Fliale in Zürich am 24. März Foto: Michael Buholzer/KEYSTONE/dpa

In der Schweiz kursiert unter ehrgeizigen Abiturienten, aber auch bei gestandenen Sozialwissenschaftlern, wie mir ein befreundeter, im Schweizer Sozial- und Gesundheitswesen tätiger unabhängiger Firmengründer und Berater mitteilte, der nur auf den ersten Blick erstaunlich gleiche Traum von der nicht verfehlten, erst im nächsten Leben zu korrigierenden Berufswahl. Die Schweizer Abiturienten träumen fast nur noch von der Bedeutung der finanziell aussichtsreichsten Studien- und Berufswahl, möglichst fürs ganze bevorstehende Berufsleben.

Auf den zweiten Blick erstaunt diese Koinzidenz der Träume von alten und angehenden Akademikern über die Berufswahl nicht. Denn den Hintergrund und Anlass für diese Gleichschaltung der Träume bildet die politische Debatte in der Schweiz: die Pleite der Großbank Credit ­Suisse und die ferngesteuerte Übernahme der Credit ­Suisse durch die Konkurrentin UBS.

Deutlich führte das Drama vor Augen: Wenn es um den internationalen Finanzmarkt geht, hat es mit dem Stolz auf Eigenständigkeit, Neutralität und traditionelles Brauchtum, das sich seit geraumer Zeit immer schroffer gegen andere und Fremde richtet, ein ganz schnelles Ende.

Die Träume älterer und angehender Akademiker von der lukrativsten Berufswahl in der Schweiz werden befeuert von der Aussicht auf lebenslang wohlstandssichernde Honorare für Wirtschaftsanwälte und ihre Kanzleien aus anstehenden Gerichtsprozessen, in denen es um milliardenschwere Streitwerte geht.

Fremdkapital, das in Eigenkapital umgewandelt wird

Es handelt sich um die Entschädigung der Käufer von sogenannten AT1-Anleihen mit einem Nennwert von gigantischen 16,1 Milliarden Schweizer Franken bei der Pleitebank Credit Suisse.

AT1-Anleihen, auch „Coco-Bonds“ genannt, sind hochriskante „Errungenschaften“ der Finanzindustrie nach der letzten Bankenkrise von 2008/2009. Es ist Fremdkapital, das jedoch ohne Zustimmung der Inhaber in Eigenkapital umgewandelt werden kann – so zumindest die marktwirtschaftsfromme und kapitalmarktkompatible Lesart der Juristen der Schweizer Behörden, die jedoch umstritten ist.

Die Käufer dieser AT1-Anleihen wurden ohne seriöse juristische Prüfung ihrer Regress- und Entschädigungsansprüche enteignet. Und das könnte eine Lawine von Klagen auslösen.

Die Steuerzahler müssen haften

Die ohne Zweifel bevorstehenden Entschädigungs- und Haftungsprozesse enthalten politische Brisanz. Und das nicht nur für die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die sich wie eine patriotisch besorgte Politikerin für „ihre“ Banken und deren Geschäftsmodell ins Zeug legt, sondern in letzter Instanz auch ganz erhebliche finanzielle Risiken für den Steuern zahlenden Teil der Schweizer Bevölkerung schafft.

Die Steuerzahler haften nach dem Stand der Dinge auf jeden Fall mit mindestens 9 Milliarden Franken für den Deal. Die Nationalbank ist bereit, 100 Milliarden Franken zu drucken, um die famose Lösung abzusichern und der Übernahme der Credit ­Suisse durch die USB genügend Cash zur Verfügung zu stellen.

Vor allem aber birgt der Deal der Großbanken enorme Prozessrisiken und damit reichlich Futter, also üppige Honorare für Generationen von erfahrenen Wirtschaftsanwälten und -kanzleien mit einer Langzeitbeschäftigungsgarantie.

Niemand redet vom Imageschaden

Auch Interessenten der als wertlos eingestuften AT1-Anleihen wie die Investmentbank Goldman Sachs stehen bereits in den Startlöchern und kaufen die Papiere schon mal auf – für den Fall der Fälle. Die Bilanzsumme der zusammengelegten beiden Großbanken umfasst mit etwa 1,6 Billionen Franken mehr als das Doppelte des gesamten Bruttoinlandsprodukts der Schweizer Wirtschaft.

Fast keiner, und schon gar nicht öffentlich wahrnehmbar, redet vom Imageschaden der Pleite der Großbank für die Schweizer Wirtschaft und für die Demokratie.

In den Medien kümmern sich allenfalls Nischenprodukte wie die linke Zürcher Wochenzeitung, die kleine sozialwissenschaftliche Zeitschrift Widerspruch oder Blogs kritischer Wissenschaftler um die gravierenden Imageverluste des Landes, ausgelöst durch gewohnheitsmäßig an der unscharfen Grenze zur Kriminalität operierenden Banker vom Zürcher Paradeplatz, dem Stammsitz der beiden Schweizer Großbanken.

Als sei nichts passiert

In offen national-chauvinistisch und trotzig-apologetischer Perspektive profilieren sich dagegen Organe der Rechts-Abbieger-Presse wie die einst durchaus lesbare Wochenzeitung Die Weltwoche unter dem heutigen Eigentümer Roger Köppel – ein selbstherrlich über willige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regierender Chefredakteur, rechter SVP-Politiker und Fan des SVP-Urgesteins Christoph Blocher.

Markt hin, Markt her: Die Stimmung in der Wirtschaft hat nach kurzer Zeit der Besinnung schon wieder gewechselt, als sei die Krise vorbei und Business as usual wieder angesagt.

Aber eine Verdichtung der Regulierung für Banken, insbesondere eine Erhöhung der Eigenkapitalquote von momentan ganzen 5 Prozent im Verhältnis zur Gesamtsumme der Bilanz um mindestens das Dreifache als Mindestvorsorge für Krisenlagen erscheint kritischen Beobachtern als unumgänglich – soweit sie nicht zum Bankenmanagement oder dessen Umfeld gehören, wo man weiterhin ebenso unverfroren wie unbelehrbar für hohe Bonuszahlungen an Spitzenbanker eintritt, als ob nichts passiert wäre.

Der Präsident der Schweizer Nationalbank verteidigte die mit markt- und privatwirtschaftlichen Gründen durchgeboxte Rettung der Credit Suisse als alternativlos. Denn die Abwicklung einer Pleitebank in der Krise mit staatlicher Hilfe sei ganz unmöglich.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Eigenheit der auf unbegrenztes Wachstum im Investmentbanking fixierten Banken enthebt diese von der Aufgabe, sich um die der Rendite abträgliche Erhöhung der Eigenkapitalquote zu kümmern.

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ist ein deutscher Historiker und freier Publizist. Er arbeitete als Redakteur und Autor für das Lexikon „Geschichtliche Grundbegriffe“. Zusammen mit Werner Bartens und Martin Halter veröffentlichte er 2002 sein „Letztes Lexikon.Mit einem Essay zur Epoche der Enzyklopädie“.

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