Urteil zu Elterndefinition: Trans Vater weiterhin „Mutter“

Der Europäische Gerichtshof wies die Klage eines trans Vaters und einer trans Mutter zurück. Nun hoffen sie auf das geplante Selbstbestimmungsgesetz.

Kreidezeichnung von Vater, Mutter und einem Kind

„Das Gericht geht von einem Vater und einer Mutter aus. Das ist ein antiquiertes Familienbild“ Foto: imageBROKER/imago

BERLIN taz | Am Telefon klingt Oliver Hanke ausgepowert: „Es ist negativ, es ist sehr enttäuschend“, sagte er der taz. Am Dienstagmorgen wurde seine Beschwerde am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zurückgewiesen. Er wollte in der Geburtsurkunde seines Kindes nicht als Mutter bezeichnet werden. Das ist nach deutscher Rechtsprechung möglich, weil er trans ist und ihm selbst bei der Geburt ein anderes Geschlecht und ein weiblicher Name zugewiesen wurde. Hanke heißt anders, will aber wegen Hetze gegen trans Menschen im Netz und im echten Leben anonym bleiben.

Das EGMR verweist auf das Bürgerliche Gesetzbuch, laut dem die gebärende Person dessen Mutter ist. Vor zehn Jahren hatte Hanke das erste Mal geklagt, zuletzt wurde seine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht abgewiesen. Neben Hankes Verfahren, der als trans Mann ein Kind gebar, wurde zudem in dem Verfahren einer trans Frau negativ entschieden, die ein Kind zeugte.

Begründet hatte das Gericht seine Zurückweisung mit der Situation der trans Eltern, die nicht mit der von Samenspendern und homosexuellen Paaren verglichen werden könne – so hatten die trans Eltern argumentiert. Ebenfalls wurde begründet, dass das Interesse der Eltern, nicht mit dem falschen Geschlechtseintrag eingetragen zu sein, nicht dem des Kindes entspreche.

„Ich finde das sehr falsch, es ist eine Nichtanerkennung meiner Familie und darunter leidet auch mein Kind“, sagte Hanke der taz. „Das Gericht geht von einem Vater und einer Mutter aus. Das ist ein antiquiertes Familienbild.“ Seit Jahrzehnten geht die deutsche Rechtsprechung davon aus, dass Eltern aus Mutter und Vater bestehen – das kritisieren nicht nur Verbände, die sich für die Rechte von queeren Menschen einsetzen, sondern auch Verbände, die sich für Alleinerziehende einsetzen. Oliver Hanke ist beides.

Warten auf das Selbstbestimmungsgesetz

Kalle Hümpfner vom Bun­des­ver­band Trans* äußerte sich am Dienstag in einer Stellungnahme dazu: „Jetzt ist politische Initiative gefragt. Es ist längst überfällig, das deutsche Abstammungsrecht anzupassen, damit trans* Eltern in ihrer Geschlechtsidentität anerkannt werden.“ Bevor das Abstammungsrecht umgesetzt wird, sieht die Bundesregierung vor, das Selbstbestimmungsgesetz umzusetzen – dort soll eine Übergangslösung gefunden werden, die trans, inter und nichtbinäre Eltern berücksichtigt.

Der taz wurde vom Büro des Queerbeauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), bestätigt, dass der geplante Gesetzentwurf diese Zwischenlösung beinhaltet. Ein Gesetzentwurf für das Selbstbestimmungsgesetz sollte eigentlich vor Ostern veröffentlicht werden – nach einer Anfrage der taz konnte dies am Dienstag nicht bestätigt werden: „Wir sind zuversichtlich, in Kürze einen Referentenentwurf vorlegen zu können“, so eine Sprecherin des Familienministeriums. Die Reform des Abstammungsrechts wird laut einem Sprecher des Justizministeriums dagegen noch dauern: „Ein entsprechender Gesetzentwurf wird frühestens im zweiten Halbjahr 2023 vorgelegt werden können.“

Oliver Hanke wartet nun also auf das Selbstbestimmungsgesetz und die Zwischenlösung, nachdem er bereits zehn Jahre auf ein abschließendes Gerichtsurteil wartete. „Wir verlieren so lange, bis wir gewonnen haben“, sagte er der taz.

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