„Polizeiruf 110“ in der ARD: Ermitteln zwischen Halbwahrheiten

Das Heimkind Ronny verschwindet mitten in der Nacht. Der ARD-Sonntagabend-Krimi lässt einen schön lange im Nebel aus Wahrheit und Lüge tappen.

Eine Frau und zwei Männer mit dicken Jacken in winterlicher Landschaft, im Hintergrunde ein Fluss

Màrquez (Pablo Grant), Brasch (Claudia Michelsen) und Lemp (Felix Vörtler) ermitteln am Fundort des Fahrrades Foto: Stefan Erhard/MDR

Neues Fahrrad, Angel, Taschenmesser, dazu Kuchen, Kerzen und Konfetti von allen im Heim. Nachmittags dann noch eine Drohne und Geld fürs Sparschwein von seiner Mutter, dazu Brüllerei und Handgreiflichkeiten von ihrem Freund. Ronny hat Geburtstag. Und rennt vor dem Typen seiner Mutter (Ceci Chuh) weg, schnappt sich sein Rad und haut ab, es schifft den ganzen Abend. Seine Jacke, sein halb-kaputtes Telefon tauchen später dort im Haus auf.

Aber keiner hat ihn mehr gesehen. Oder will ihn gesehen haben. Oder doch.

Die Wahrheit und die Halbwahrheiten und die Lügen schieben sich in dem MDR-Polizeiruf „Ronny“ ineinander. Ein zehnjähriges Heimkind, einfach weg, in der Kälte, nachts, die Gründe reichen, damit sich die Magdeburger Kriminalpolizei einschaltet. Als Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) bei der Mutter auftaucht, fängt die erste von vielen Runden im Wahrheitsnebel an. Hat sie ihn zum Bus gebracht oder doch nicht, Ronny wollte doch mit dem neuen Rad los, hat ihr Typ ihn geschlagen, sie weiß es nicht, und sowieso, der war nach dem Krawall so lange unterwegs, wo auch immer.

Auch Matthias (Thomas Schubert), der eine Heimerzieher, der die kleinen Jungs immer auf sein Boot zum Angeln mitnimmt, hat ihn nicht gesehen, und dass Ronny allen erzählt hat, sie würden abends noch zusammen die neue Angel ausprobieren, sei nur Schmarrn.

MDR-Polizeiruf 110: „Ronny“, So., 19.3., 20.15 Uhr ARD und in der ARD-Mediathek

Alles oder nichts oder irgendwas dazwischen

Dem Teenager-Sohn der Heimleiterin (großartige Altersstudie von Valentin Oppermann) fällt später ein, er sei ihm abends noch über den Weg gelaufen, da sei Blut auf dem Pulli gewesen, ja, der wollte noch zum Bootsanleger, und dieser Matthias habe ihn früher immer angegrabscht und anderes.

Zwei Tage gehen ins Land, die Kamera ist nicht bei allem dabei, es kann alles sein und nichts oder irgendwas dazwischen. Wie Barbara Ott die Story von Jan Braren umsetzt, unterstützt von Falko Lachmunds Bildern, die meist auch irgendwo im Ungefähren hängen, zieht die ganze Atmosphäre in drängendste Beklemmung. Mit Blick auf die vergangenen Sonntagabendkrimis scheint es verdammt lange her, dass das Publikum derart im Dunkeln tappte, mit lauter glaubhaften schlechten Szenarien zur Auswahl. Und zwar ohne dass die Stränge zerfasern, ohne dass die Figuren blass bleiben.

Brasch geht es kaum anders, so beherrscht und ruhig sie auch ist. So viele Verdachtsmomente, so viele Zweifel, und dann taucht auch noch das Fahrrad wieder auf. Sie steht an der Elbe rum, tags, nachts, im Dämmer, im Regen, knallt Schranktüren. Aber da wir es hier mit Claudia Michelsen zu tun haben, rutscht sie nie in nerviges Over-Acting. Ihr Chef Lemp steht meist nur irgendwie daneben, das Drehbuch gibt ihm leider nicht viel zu tun.

Und das grenzt bei einem Darsteller wie Felix Vörtler schon wirklich an Großverschwendung. Gerade auch wegen seiner Chemie mit Michelsen. Sein Lemp ist immer noch da, lange nachdem Braschs Ermittlungspartner einer nach dem anderen verschwunden sind. In dieser Folge zeigt sich, dass diese Konstellation Brasch als Figur guttut: Sie ist nun einmal ein Solitär.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.