Amnesty International rügt Deutschland: Untätig gegen Racial Profiling

Diskriminierende Personenkontrollen, harte Versammlungsgesetze: Amnesty kritisiert Deutschland. Die Ampel versucht, dagegenzusteuern.

Zwei Polizistenstehen mit einem jungen Schwarzen auf der Straße und notieren sich etwas

Personen­kontrolle am Stuttgarter Schlossplatz Foto: Arnulf Hettrich/imago

BERLIN taz | Die Worte von Amnesty International sind deutlich. In Deutschland habe es auch zuletzt „unzureichende Ermittlungen bei Vorwürfen über diskriminierende Personenkontrollen (Racial Profiling)“ gegeben, die das „Recht auf Nichtdiskriminierung verletzten“, heißt es im Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation, der am Dienstag veröffentlicht wurde. „Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung bei diskriminierenden Übergriffen durch die Polizei wurden weiterhin durch das Fehlen eines unabhängigen Beschwerdemechanismus behindert.“ Selbst der Aktionsplan gegen Rechtsextremismus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) „erkannte und behandelte institutionellen und systematischen Rassismus nicht“.

Die Kritik ist nicht neu. Die Europäische Kommission drängte Deutschland schon vor Jahren, eine Studie über die anlasslosen Kontrollen durchzuführen, die vielfach schwarze Menschen treffen. Es gebe Indizien für ein „ausgeprägtes“ Racial Profiling in Deutschland. Zuletzt hatten auch im Diskriminierungsmonitor, den die Bundesregierung erstmals beauftragte, ein gutes Fünftel der Befragten erklärt, Rassismus erlebt zu haben.

Faeser ließ am Dienstag ihren Sprecher erklären, dass das Thema Racial Profiling bei der geplanten Reform des Bundespolizeigesetzes diskutiert werde. „Generell gilt selbstverständlich bereits heute, dass Personenkontrollen sowie alle polizeilichen Maßnahmen nach objektiven Kriterien, vorurteils- und diskriminierungsfrei erfolgen müssen.“

Mit dem reformierten Bundespolizeigesetz sollen die Befugnisse der Bundespolizei zur Gefahrenabwehr neu geregelt und dort erstmals eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden. Beim Punkt Racial Profiling aber hatte sich die Ampel zuletzt verhakt. In einem ersten Aufschlag zum Gesetzentwurf hatte das Innenministerium nach taz-Informationen zwar „diskrimierungsfreie“ Polizeikontrollen festgehalten, die sich nicht nach Hautfarbe, Religion oder Ethnie richten dürften – die Grünen wollten aber präzisere Formulierungen.

Quittungen für Polizeikontrollen?

Zudem hatten die Grünen auf eine Ausstellung von Quittungen bei Polizeikontrollen gedrängt, um deren Gründe transparent und nachprüfbar zu machen. Vorbild ist hier Bremen, wo die Polizei bereits seit Herbst 2021 in bestimmten Gebieten solche Quittungen anbieten muss. Faesers Sprecher wollte sich zu den Gesprächen nicht äußern. Intern soll sich die Ministerium zuletzt aber für beide Vorschläge offen gezeigt haben.

Grünen-Fraktiongeschäftsführerin Irene Mihalic sagte am Dienstag der taz, der Amnesty-Bericht zeige erneut „den bestehenden Handlungsbedarf zur Prävention von Racial Profiling in Deutschland“. Mit der Reform des Bundespolizeigesetzes habe man nun die Chance, „die rechtliche Situation maßgeblich zu verbessern“. Der SPD-Innenexperte Uli Grötsch versprach, dass das Gesetz „klare Vorgaben zu diskriminierungsfreiem Handeln von Bundespolizistinnen und Bundespolizisten machen wird“.

Die Ampel will auch mit einer zweiten Maßnahme gegensteuern: einem neuen Polizeibeauftragten. Der Posten soll ab Sommer installiert und von Grötsch übernommen werden. Der SPD-Mann sagte der taz, nach entsprechenden Beschwerdestellen in den Ländern wolle man nun auch auf Bundesebene eine Ansprechperson für Diskriminierungen durch die Polizei schaffen. „Unser Ziel ist, dass staatliches Handeln ausnahmslos diskriminierungsfrei erfolgt, und wo dies nicht der Fall ist, Konsequenzen nach sich zieht.“

Auch Mihalic verspricht sich mit dem Beauftragten „eine Stelle zur Bearbeitung von strukturellen Problemen innerhalb der Polizei“. Bei dem Posten bremst jedoch die FDP, die den Beauftragten vor allem als Ansprechpartner für Po­li­zis­t:in­nen sieht – nicht für Bür­ger:in­nen­be­schwerden.

Amnesty beklagt verschärftes Versammlungsgesetz

Amnesty beklagt derweil auch „unverhältnismäßige“ Einschränkungen der Versammlungsfreiheit in Deutschland. Explizit benannt wird Nordrhein-Westfalen, wo die damals schwarz-gelbe Regierung Ende 2021 das Versammlungsgesetz verschärfte. Die Polizei kann nun Versammlungen per Video überwachen, auf Autobahnen gilt ein Komplettverbot von Versammlungen – eine Reaktion auf die Aktionen der Letzten Generation.

Der deutsche Amnesty-Generalsekretär, Markus Beeko, warnte vor Verschärfungen beim Versammlungsrecht auch in Bayern und Hessen. Gegen das NRW-Gesetz hatte zuletzt auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte Verfassungsbeschwerde eingereicht.

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