Gericht in Polen: Ausbau der Oder soll stoppen

Großer Erfolg für Naturschutzorganisationen vor Gericht: Der Ausbau der Oder ist unzulässig. Werden sich Polens Behörden daran halten?

Ein Schiff ist am frühen Morgen unterwegs zur Baustelle an einer Buhnen auf der polnischen Uferseite de Oder

Ein Schiff auf der Oder unterwegs zur Baustelle auf der polnischen Seite Foto: Patrick Pleul/dpa

WARSCHAU taz | Noch schaufeln die Bagger am polnischen Ufer der Oder. Fast ein Viertel der Bauarbeiten zur Schiffbarmachung der Wasserstraße sind bereits abgeschlossen. Doch laut einem Beschluss des Obersten Verwaltungsgerichts (NSA) in Warschau muss der Investor die Arbeiten sofort einstellen, da der Natur sonst irreversible Schäden drohten. „Für uns ist das ein Durchbruch“, freut sich Sascha Maier, Gewässerschutzbeauftragter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Vertreter des internationalen Aktionsbündnisses „Lebendige Oder“.

Der Gerichtsbeschluss bestätigt den Baustopp, den ja bereits die Vorinstanz verhängt hatte. Die Wody Polskie, also das Landesamt für Wasserwirtschaft, legte damals Widerspruch ein, ignorierte den Baustopp und machte einfach weiter. „Das geht nun nicht mehr“, ist Maier sicher. „Der Beschluss ist nun rechtskräftig.“

Auch Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring (DNR) verbucht den Warschauer NSA-Beschluss als großen Erfolg für die klagenden Öko-Verbände, zu denen unter anderem der DNR, der BUND und der Naturschutzbund Deutschlands (Nabu) gehören. „Die Bauarbeiten auf polnischer Seite müssen nun unverzüglich gestoppt werden“, so Schöne.

Die Umweltkatastrophe an der Oder im vergangenen August mache deutlich, wie notwendig es sei, „den ökologischen Prozessen und der Widerstandsfähigkeit des Flusses künftig Priorität einzuräumen“, sagt Schöne.

Hauptverfahren steht noch aus

Allerdings steht das Hauptverfahren – und damit das rechtskräftige Urteil in der Sache – noch aus. Bis zum Ende des Rechtsstreits kann es noch einige Monate dauern, möglicherweise sogar ein ganzes Jahr. Denn das Wody Polskie war unzufrieden mit der Umweltentscheidung der Generaldirektion für Umweltschutz (GDOS) und legte der Behörde Ende August 2022 eine Änderungswunschliste vor.

Da ein neuer Umweltentscheid die Rechtslage verändert, setzte das Warschauer Woiwodschafts-Verwaltungsgericht am 27. Dezember 2022 das gerichtliche Hauptverfahren bis zum Vorliegen des neuen Umweltentscheids aus. Der wichtigste Punkt der ungewöhnlich ausführlichen Begründung steht fast ganz am Ende des aktuellen Gerichtsbeschlusses.

In Punkt IV, Absatz 17 führt Richter Piotr Korzeniowski aus, dass der vom Gericht verhängte vorläufige Baustopp für das Projekt Oderausbau einen realen Baustopp nach sich ziehen müsse. Eine gegenteilige Annahme würde nicht nur gegen geltendes polnisches Umweltrecht verstoßen, sondern auch eine der beiden Parteien des Rechts auf eine Gerichtsentscheidung berauben.

Das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats bedeute ein Recht auf ein Gerichtsurteil. Da es im laufenden Fall um irreversible Schäden an der Natur gehe, die durch die laufenden Bauarbeiten an der Oder verursacht werden könnten, müsse die Investition so lange gestoppt werden, bis alle Umweltbedenken ausgeräumt seien.

PiS hält Beschluss für einen „Skandal“

Schon der vorläufige Gerichtsbeschluss des Wojewodschafts-Verwaltungsgerichts hätte nicht ignoriert werden dürfen, so der Richter. Dies aber habe der Investor – Wody Polskie – getan. Die Nichtbeachtung von Gerichtsbeschlüssen, egal ob vorläufig oder endgültig, mache jeden Umweltschutz illusorisch.

„Das ist ein Skandal“, kommentierte den Gerichtsbeschluss allerdings Jerzy Materna, Abgeordneter der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). „Da regiert ein fremder Staat in unsere polnischen Gewässer rein, und das Gericht erklärt sein Einverständnis, ohne Experten anzuhören.“ Materna zufolge will „die deutsche Seite“ jede Investition in die polnische Fluss-Infrastruktur verhindern.

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