Grünen-Klausur in Weimar: Von nun an Klartext

Das Vorgaukeln einer heilen Koalition hat die Grünen ihren Klimazielen nicht näher gebracht. Jetzt heißt es, den öffentlichen Druck zu erhöhen.

Marco Buschmann, Annalena Baerbock und Robert Habeck

Gegensätze, die sich ganz wunderbar ergänzen? Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit den Grünen Mi­nis­te­r:in­nen Annalena Baerbock und Robert Habeck Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Ampel hat sich ihrer Erzählung entledigt. Zur „Fortschrittskoalition“ hatten SPD, Grüne und FDP nach der Bundestagswahl ihre Koalition erklärt. Von großen Gemeinsamkeiten sprachen sie, von Dynamik mit Schubkraft und von Gegensätzen, die sich ganz wunderbar ergänzten. Dass es damit in der Praxis nicht immer weit her ist, hatte sich schon über die letzten Monate angedeutet.

Mit den Weimarer Wutreden der Grünen haben sich die PR-Formeln im Vorwort des Koalitionsvertrags endgültig erledigt: Während der Klausur der Bundestagsfraktion sparten Abgeordnete, Fraktionsvorstand und Vizekanzler nicht mit offener Kritik an den Koalitionspartnern – bis hin zum von Robert Habeck ausgesprochenen Vorwurf, innerhalb der Ampel würden vertrauliche Verhandlungen wegen „billiger taktischer Vorteile“ bewusst sabotiert.

Schöne Zustände sind das nicht. Das Ende der Fortschrittserzählung ist aber immerhin folgerichtig. Von Beginn an übertünchten die Koali­tionsfloskeln, was die Ampel eigentlich ist: ein aus der Not geborenes Bündnis, das zusammengefunden hat, weil für andere Konstellationen die Mehrheiten fehlten. Punktuell gibt es zwischen den Partnern zwar tatsächlich Gemeinsamkeiten.

In vielen Feldern trennt sie hinsichtlich ihrer Interessen und Werte aber einiges; hinsichtlich des politischen Anstands sogar Gewaltiges – man denke nur an den aktuellen Habeck-Putin-Vergleich von FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Der realistische Blick auf die Ampel ermöglicht den Grünen immerhin einen Umgang mit den Koalitionspartnern, ohne den sie entscheidende Fortschritte beim Klimaschutz in dieser Legislaturperiode hätten vergessen können.

Appelle an Gemeinschaftssinn und Einsicht fruchten nicht, wenn Interessen und Überzeugungen so fundamental auseinanderliegen, wie sie es zumindest zwischen Grünen und FDP in Fragen der Energiewende tun. In diesem Fall geht es nicht anders, als über die Öffentlichkeit Druck aufzubauen – in der Hoffnung, dadurch ein Einlenken zu erzwingen. Optimal ist dieser Weg natürlich nicht.

Und es ist nicht sicher, dass er sein Ziel erreicht; dass es etwa schon beim Koalitionsausschuss am Sonntag die gewünschten Durchbrüche in der Verkehrspolitik oder bei Vorgaben für klimaverträgliche Heizungen gibt. Die Konfrontation macht die Zusammenarbeit in der Koalition kaum leichter. Von der Öffentlichkeit wird öffentlicher Streit noch dazu selten goutiert. Für die Grünen gibt es in der Ampel im Moment aber nur die Wahl zwischen zwei suboptimalen Optionen. Und eine davon – Nachsicht, Geduld und Gleichmut – ist fürs Erste erkennbar gescheitert.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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