Rückzug des Hamburger CDU-Chefs Ploß: Karriereknick beim ewigen Jungstar

Rechtsaußen Christoph Ploß gibt den Vorsitz der Hamburger CDU auf. Deren Aussichten, bei der Bürgerschaftswahl 2025 etwas zu reißen, steigen damit.

Dennis Thering und Christoph Ploß vor einer dunkelblauen Wand mit "CDU"-Logos

Deal zwischen Thering und Ploß: Du überlässt mir den Vorsitz, dann darfst du wieder in den Bundestag Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Christoph Ploß gibt den Vorsitz der Hamburger CDU auf. Was wie ein Karriereknick beim ewigen Jungstar aussieht, wird nun natürlich als Gentlemen's Agreement verkauft, zwischen Ploß selbst und seinem designierten Nachfolger Dennis Thering. Der möchte sich am 3. April vom Parteitag wählen lassen. Eigentlich ist es ein Deal: Im Gegenzug schlägt Thering Ploß erneut als Spitzenkandidaten für den Bundestag vor.

Bislang war es für Ploß immer nur nach oben gegangen: Bundestag mit 32, Landeschef mit 35 – da schien die Spitzenkandidatur vorgezeichnet. Doch in der Partei haben sie gesehen, dass sie mit einem Polarisierer wie Ploß in Hamburg keinen Blumentopf gewinnen können. Und vielleicht hat das sogar Christoph Ploß gemerkt. Jedenfalls behauptet er, die Initiative zum Führungswechsel sei von ihm ausgegangen.

Der Machtkampf muss lange vorher entschieden gewesen sein – spätestens, als Thering vor vier Wochen seinen Hut als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2025 in den Ring geworfen hatte. Der Griff des Oppositionsführers Thering nach der Parteiführung ist nur die logische Konsequenz. Und es ist auch eine Absicherung gegen populistische Störfeuer aus Berlin.

Denn der bekennende Merz-Fan Ploß ist bundesweit vor allem mit dem bekannt geworden, was viele der Linken vorwerfen: Identitätspolitik. Nur eben von rechts. Sein bevorzugtes Medium ist Twitter, sein Steckenpferd die Gender-Debatte. Ploß würde das Gendern in Verwaltung und Bildungseinrichtungen gern verbieten. Begeistert war er aufgesprungen, als sich in Hamburg eine Volksinitiative mit diesem Ziel formierte, und bot eilfertig die Unterstützung der CDU an. Thering musste dann die Scherben wieder aufkehren, als die Gründerin sich zu queerfeindlichen Tiraden verstieg.

In die Verbrenner-Frage verbissen

Zuletzt hatte Ploß sich in die Verbrenner-Frage verbissen: In einer Bundestagsdebatte brach er eine Lanze für die E-Fuels, eigentlich Freiheitsfetisch marktwirtschaftlich unterbelichteter FDP-Wichtigtuer. Ploß behauptete, in anderen europäischen Ländern könne man E-Fuels längst tanken, nur Deutschland hänge mal wieder hinterher. Er könne gern eine Grafik dazu schicken. Dann wurde es verdächtig still. Was er, auf Nachfrage, postete, zeigte nicht, wo man die energieaufwändig herzustellenden E-Fuels in den Tank bekommt, sondern altes Frittenfett. Das Gelächter in der Twitter-Gemeinde war groß.

In seiner eigenen Partei war es zur offenen Rebellion gekommen, als Ploß im vergangenen Sommer den früheren AfD-Landesschef Jörn Kruse handstreichartig in „seinen“ Kreisverband Nord aufnahm. Die CDU beschloss eine Art „Lex Ploß“, nach der bei derart heiklen Aufnahmen künftig der Landesvorstand beteiligt werden muss.

Kann sein, dass die Partei einem Irrtum aufgesessen ist, als sie Christoph Ploß zum Chef wählte; dass er dafür weder persönlich noch politisch geeignet ist. Es war ein allzu heftiger Reflex: Die CDU hatte 2020 ihre historisch schmerzhafteste Klatsche bekommen, mit 11,2 Prozent. Dafür machte sie den Spitzenkandidaten Marcus Weinberg verantwortlich, einen grünen Schwarzen mit starkem sozialem Einschlag, der kurzfristig für zwei an Krebs erkrankte Kan­di­da­t:in­nen eingesprungen war. Dennoch, die Partei suchte nach dem größtmöglichen Gegenstück – und fand es in Ploß.

Thering scheint nun die goldene Mitte, ein sachlicher Typ, der konziliant auftritt, ohne konservative Positionen zu verraten. Er wird nicht gleich Bürgermeister werden. Aber eine CDU als alternativer Partner für die SPD, falls die Grünen zu aufmüpfig werden – das wäre mit Thering immerhin vorstellbar.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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