Atomausstieg am 15. April: Schleppendes Ende der AKWs

Teile der Politik debattieren erneut über eine Zukunft der Atomkraft. Derweil geht den deutschen Anlagen längst die Puste aus.

Einfamilienhäuser vor Atomkraftwerk

Der Abschied steht an: Atomkraftwerk Neckarwestheim Foto: Bernd Weißbrod/dpa

BERLIN taz | In einem Monat soll eine Ära zu Ende gehen. „Es bleibt beim Atomausstieg Mitte April“, bekräftigte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Herbst per Machtwort erwirkt, nachdem seine Mitkoalitionäre, Grüne und FDP, erbittert gestritten hatten. Statt Ende 2022 würden die letzten drei deutschen AKWs am 15. April vom Netz gehen, hieß es da. Trotzdem läuft die politische Debatte weiter.

Mit der Praxis hat das indes wenig zu tun. Die Leistung des bayerischen Reaktorblocks Isar 2 geht schon seit Wochen immer weiter in die Knie – die vorhandenen Brennelemente sind schlicht am Ende. Die verbliebene Leistung des 1.410-Megawatt-Reaktors hat inzwischen die Marke von 1.100 Megawatt unterschritten. Pro Tag fällt der Wert um weitere 5 Megawatt.

Im baden-württembergischen Neckarwestheim ist die Leistung des verbliebenen Blocks 2 mit rund 870 Megawatt zwar derzeit noch stabil, doch von seiner eigentlichen Auslegungsleistung von 1.310 Megawatt erreicht der Reaktor damit auch nur noch zwei Drittel. Dies ist der Fall, seit im Januar der Reaktorkern „rekonfiguriert“ wurde; es wurden die alten Brennelemente im Reaktordruckbehälter umgruppiert, um deren vorhandene Restreaktivität noch maximal auszunutzen.

Noch 980 Megawatt, rund 70 Prozent

Auch das dritte noch verbliebene AKW, Emsland A, läuft schon mit reduzierter Leistung. Rund 980 Megawatt, gut 70 Prozent seiner Nennleistung, liefert der niedersächsische Reaktor aktuell. Auch bei ihm wurden Anfang Februar die Brennelemente für den Streckbetrieb umgruppiert.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unlängst vom Vorschlag der umweltpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Judith Skudelny, die Kraftwerke auch nach der Abschaltung weiterhin als Reserve einsatzbereit zu halten – und zwar „solange wir nicht hundertprozentig sicher sein können, dass wir gar nicht auf die Kernenergie zurückgreifen müssen“.

Betreiber schalten längst auf Stilllegung um

Eine sinnvolle Option sei das aber nicht, muss selbst der Verein Kerntechnik Deutschland einräumen, die Nachfolgeorganisation des deutschen Atomforums. Entsprechend wollen auch die drei Betreiberfirmen davon nichts wissen. RWE als Eigentümer des Kraftwerks Emsland verweist nur darauf, dass der Rückbau nun anstehe und man andere Debatten nicht kommentiere. Für das Kraftwerk Neckarwestheim lässt Betreiber EnBW wissen, das Verfahren für die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung sei schon „sehr weit fortgeschritten“. Man rechne mit einer Genehmigung, und zwar sogar noch vor dem Abschalttermin. „Wir beabsichtigen, diese Genehmigung nach ihrer Erteilung zeitnah in Anspruch zu nehmen, um mit den Arbeiten am Rückbau der Anlagen beginnen zu können“, heißt es auf Anfrage. Damit setze EnBW seinen „Masterplan für den Rückbau“ der Reaktoren fort. „Überlegungen oder Planungen für andere Szenarien verfolgen wir nicht.“

Auch PreussenElektra als Betreiber des Blocks Isar teilt mit, man bereite sich „auf den zügigen Rückbau des Kraftwerks“ vor. Der eigentliche Rückbau werde nach der Erteilung der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung beginnen, mit der für Anfang 2024 zu rechnen sei.

Das aus den FDP-Reihen vorgeschlagene Konzept einer Kaltreserve findet in der Energiewirtschaft keine Freunde, schließlich wäre es extrem aufwendig. Die Reaktoren müssten dann zum Beispiel erst einmal wieder ihre Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) absolvieren – ein Verfahren, das etwa ein Jahr dauert. Ohne eine Garantie, dass die Blöcke wirklich nochmals in Betrieb gesetzt werden, wäre das – auch ökonomisch – eine abwegige Aktion. Zumal es auch für die Atomaufsicht erheblichen Aufwand bedeuten würde, sich für die Option eines Neustarts weiterhin bereitzuhalten; für Teile der Aufsicht ist nach Ende des Leistungsbetriebs der letzten Reaktoren die Abwicklung geplant. Hinzu kommt: Die Brennelemente für einen Neubetrieb wären kurzfristig gar nicht verfügbar.

Bis zuletzt kursierten sogar Forderungen, etwa von der CSU, man solle die bereits Ende 2021 abgeschalteten AKWs wieder reaktivieren. Exemplarisch für das Kraftwerk Gundremmingen stellte dessen Leiter, Heiko Ringel, jedoch nun klar, dass die Generatoren der Blöcke B und C bereits ausgebaut und verschrottet seien. Auch in Block C, der Ende 2021 abgeschaltet wurde, seien die Frischdampf- und Speisewasserleitungen bereits durchtrennt worden. Die Kühltürme seien entkernt, die Turbinen würden gerade demontiert. Deswegen sei klar: „Das Kernkraftwerk Gundremmingen wird nie wieder in Betrieb gehen.“

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