Volle Kräfte bald halbiert?

Frauenfragen drohen an der Küste unterzugehen: Die Kieler Koalition plant eine Reform der Gemeindeordnung, die eine Halbierung der Zahl der Gleichstellungsbeauftragten zur Folge hätte

von Esther Geißlinger

Im Kieler Koalitionsvertrag steht es geschrieben: „Die tatsächliche partnerschaftliche Teilhabe von Frauen und Männern ist noch nicht erreicht. Gleichstellungsbeauftragte leisten einen großen Beitrag zur Realisierung der Gleichstellung.“ Nur der Schluss, den die CDU-SPD-Regierung daraus zieht, passt nicht so recht: Die geplante Reform der Gemeindeordnung hätte zur Folge, dass etwa die Hälfte der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten in Schleswig-Holstein ihre Büros räumen müsste.

Bewirken würde das ein kleiner Änderungsantrag, der bei der aktuellen Landtagssitzung hätte beschlossen werden sollen: Die Abgeordneten Peter Lehner (CDU) und Klaus-Peter Puls (SPD) forderten im Namen ihrer Fraktionen, in der Gemeindeordnung eine Zahl zu ändern. „10.000“ sollte gegen „15.000“ ausgetauscht werden. Die Zahl legt fest, ab welcher Größe eine Gemeinde die Gleichstellungsstelle hauptamtlich besetzen muss. Im Koalitionsvertrag wird die neue Mindestgröße ebenfalls genannt – aber dass die Reform sofort umgesetzt werden sollte, überraschte sowohl die Gleichstellungsbeauftragten als auch das Ministerium für Bildung und Frauen. „Wir stehen natürlich auf der Grundlage des Koalitionsvertrages“, sagt Ministeriumssprecher Sven Zylla. „Aber wir haben ein Interesse, diese Frage mit der geplanten Kommunalreform zu verbinden.“

Die würde mit sich bringen, dass Ämter größer werden und Gemeinden stärker zusammenarbeiten, wodurch die 10.000-EinwohnerInnen-Grenze wieder in einem anderen Licht zu sehen wäre. Zurzeit aber arbeitet etwa die Hälfte der 70 hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten im Land in kleineren Orten – würde die Gemeindeordnung geändert, wären sie vom Wohlwollen ihrer Bürgermeister abhängig.

Dass alle Gemeinden sich ohne gesetzlichen Zwang eine volle Kraft für Frauenfragen leisten, bezweifelt Margot Wilke, eine der Sprecherinnen der Gleichstellungsbeauftragten. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) befürchtete sie „einen großen Rückschritt“. Unterstützung erhält sie von Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Sabine-Almut Auerbach.

Gabriele Hoschek, eine der Landessprecherinnen, weiß: „Gerade im ländlichen Raum ist noch genug zu tun. Weder im Beruf, noch beim Gehalt oder bei der Vergabe von Führungspositionen sind Frauen gleichberechtigt.“ Zurzeit finde sogar ein „Rückwärtsprozess“ statt: „Der Konkurrenzkampf wird immer härter“. Sich für die Rechte von Frauen einzusetzen, könnten ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte allein nicht schaffen.

Der Antrag ist von der Tagesordnung der laufenden Landtagssitzung gestrichen worden – Erleichterung darüber herrscht nicht nur bei Hoschek und ihren Kolleginnen, sondern auch im Frauenministerium. Dort wolle man sich nun für „Übergangslösungen und Kooperationen“ einsetzen, sagt Zylla, damit die Gleichstellungsbeauftragten der kleineren Kommunen nicht gekündigt werden. Einige Bürgermeister könnten sich dafür entscheiden, ihre Beauftragten auch ohne Gesetzesvorgabe weiter zu beschäftigen, hofft Zylla. Zeit für Verhandlungen bleibt bis Ende August: Dann berät der Landtag.