Wagenknecht bereitet ihren Abgang vor: Zum Abschied leise Servus

Sahra Wagenknecht hat eine erneute Kandidatur für die Linkspartei ausgeschlossen. Damit leben Spekulationen über eine mögliche Abspaltung wieder auf.

Sahra Wagenknecht spricht in ein Mikro

Will nicht nochmal kandidieren: Sahra Wagenknecht Foto: Christian Mang/reuters

BERLIN taz | Die Zeit von Sahra Wagenknecht in der Linken neigt sich dem Ende entgegen. Jetzt hat die umstrittene Bundestagsabgeordnete eine erneute Kandidatur für die Partei, der sie noch angehört, definitiv ausgeschlossen. Damit befeuert sie weiter Spekulationen über eine mögliche Abspaltung ihrer Anhängerschaft noch vor der Europawahl im kommenden Jahr. Ihr Verhältnis zur Linkspartei gilt seit längerem als völlig zerrüttet.

Wagenknecht sitzt seit 2009 für die Linkspartei im Bundestag und war von 2015 bis 2019 Co-Fraktionsvorsitzende. Derzeit lässt sie sich allerdings nur noch äußerst selten im Parlament blicken. Nun verkündete die 53-Jährige gegenüber der Rheinpfalz: „Eine erneute Kandidatur für die Linke schließe ich aus.“ Nach Ablauf der Legislaturperiode wolle sie sich entweder aus der Politik zurückziehen – „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“. Auf eine mögliche Parteineugründung angesprochen, sagte Wagenknecht: „Darüber wird an vielen Stellen diskutiert.“

Wagenknechts Mitteilung wurde kurz nach der von ihr und Alice Schwarzer organisierten Kundgebung „Aufstand für Frieden“ am vorvergangenen Samstag veröffentlicht, an der zwischen 22.000 und 29.000 Menschen teilgenommen hatten. Das gleichnamige Manifest der beiden hat mittlerweile mehr als 730.000 Un­ter­stüt­ze­r:in­nen gefunden. Nachdem in den Wochen zuvor die Gerüchte um eine bevorstehende Spaltung der Linkspartei wie auch die Angriffe auf die Parteiführung etwas abgeebbt waren, scheint der Erfolg des Manifestes und die ebenfalls vom Wagenknecht-Lager als erfolgreich bewertete Kundgebung nun eine neue Dynamik zu entfalten.

„Was gar nicht geht ist, dass die Proteste von Wagenknecht und anderen genutzt werden, um gegen die Parteiführung Stimmung zu machen und zu versuchen, die Spekulationen um eine Parteineugründung am Köcheln zu halten“, sagte der frühere Linkenvorsitzende Bernd Riexinger der taz. „Dem muss eine deutliche Absage erteilt werden“, forderte er. „Das kann keine Partei akzeptieren.“

Traum von einer neuen Partei

Damit spielte der Linken-Bundestagsabgeordnete unter anderem auf Äußerungen der Fraktionskollegin und Wagenknecht-Vertrauten Sevim Dağdelen an, die die fehlende Unterstützung für das Manifest und für die Kundgebung durch den Parteivorstand in einem Interview als „unentschuldbar“ bezeichnet hatte: „So handelt die Spitze einer Sekte, nicht die einer verantwortungsvollen linken Partei“, sagte sie der Jungen Welt.

Dağdelen gehört zum engeren Umfeld Wagenknechts, das offenbar sehnsüchtig darauf wartet, dass diese ihren Abgang aus der Linkspartei verkündet, um ein neues politisches Projekt zu starten. Doch noch zögert Wagenknecht. Sie sähe zwar „Bedarf für eine neue Partei, die rund 30 Prozent der Menschen endlich einmal wieder eine Stimme gibt“, sagte Wagenknecht Mitte Februar dem ihr gewogenen Onlineportal Nachdenkseiten. So etwas bedürfe aber einer soliden Vorbereitung.

Wann Wagenknecht dem Beispiel ihres Ehemanns Oskar Lafontaine folgen und die Linkspartei verlassen wird, ist also vorerst weiter offen. Als mögliches Szenario gilt, noch die hessische Landtagswahl im Herbst abzuwarten, bei der der Linken der Verlust ihrer letzten Mandate in einem westdeutschen Flächenland droht. Das könnte als Signal genommen werden, um mit einem alternativen Wahlbündnis bei der Europawahl im Frühjahr 2024 anzutreten.

In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit dem Ex-RT Deutsch-Chef Ivan Rodionov zeigte sich der Ex-Linkenbundestagsabgeordnete Diether Dehm überzeugt, es werde „zu einer neuen Kraft kommen, und die wird es auch vor der Europawahl geben“.

Zermürbender Streit

Bereits im August vergangenen Jahres hatte der 72-jährige Musikmillionär erstmalig auf einer Veranstaltung der DKP öffentlich über eine mögliche Alternativkandidatur gesprochen, was ihm ein Parteiauschlussverfahren eingehandelt hat. Wie zahlreiche andere aus dem engeren politischen Umfeld Wagenknechts war auch Dehm bei der Kundgebung in Berlin Ende Februar hinter der Bühne mit dabei.

Der Streit mit und um Wagenknecht zermürbt die Linkspartei bereits seit Jahren. Und so lange sie noch dabei ist, gehen andere. So wie an diesem Freitag der stellvertretende Landesvorsitzende der Linken in Brandenburg, Justin König. „Warum lässt sich ausgerechnet eine linke Partei vom Gedankengut um Wagenknecht treiben?“, schreibt der 24-jährige Linksfraktionsvorsitzende im Kreistag in Ostprignitz-Ruppin in seiner Austrittserklärung.

„Eine Klärung würde vielleicht manches leichter machen“, sagte die Linken-Vizechefin Katina Schubert der dpa. Wagenknecht mache schon lange keine Politik mehr für die Linke. Ihr Geschäftsmodell sei vielmehr, „gegen die Partei zu hetzen“ und „von der Seitenlinie Leute zu diffamieren und schlecht zu machen“. Schubert, die auch Berliner Landesvorsitzende ist, ließ keinen Zweifel daran, dass sie Wagenknecht keine Träne nachweinen würde: „Ich sag's mal so: Reisende soll man nicht aufhalten.“

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