Wahlen in der Türkei: Opposition schießt Eigentor

Das Bündnis, das Erdogan ablösen wollte, scheitert an einer Einigung über den Gegenkandidaten. Für den Autokraten ist das ein Geschenk des Himmels.

Ekrem Imamoglu und Mansur Yavas Foto: Burhan Ozbilici/ap

Monatelang hat das türkische Oppositionsbündnis von sechs Parteien miteinander verhandelt. Zuerst über gemeinsame politische Ziele wie die Wiedereinführung der parlamentarischen Demokratie und die Rückabwicklung der Präsidialdiktatur oder die Wiederherstellung der Gewaltenteilung. Was die Opposition aber vor allem eint, ist ihre Gegnerschaft zum amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Deshalb war von Beginn an der wichtigste Punkt, einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gegen Erdoğan aufzustellen, denn nur so gäbe es eine realistische Chance, den amtierenden Autokraten abzulösen. Genau an der Frage aber hat es nun geknallt. Meral Aksener, die Vorsitzende der zweitgrößten Partei des Bündnisses, hat von Anfang an klargemacht, dass sie Kemal Kilicdaroglu, den Vorsitzenden der CHP, der größten Partei des Bündnisses, nicht für einen geeigneten Präsidentschaftskandidaten hält.

Sie wollte keinen Kandidaten ihrer eigenen Partei, sondern entweder den Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu oder den Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas. Beide gehören ebenfalls der CHP an, aber beide liegen in Umfragen mit Erdoğan gleichauf oder sogar vor ihm, während Kilicdaroglu in der Gunst der WählerInnen weit abgeschlagen ist.

Trotzdem hat Kilicdaroglu an seiner Kandidatur festgehalten und auch seine beiden Parteimitglieder, İmamoğlu und Yavas verpflichtet, ihn zu unterstützen. Nun sagen manche Leute, nach dem Erdbeben liegt Erdoğan so darnieder, dass die Opposition auch einen Besenstiel aufstellen könnte und würde trotzdem gewinnen. Aksener ist nicht dieser Meinung, sondern sie will den stärksten Kandidaten.

Das Problem von İmamoğlu_ ist, dass er bereits in erster Instanz verurteilt wurde und als Kandidat vor der Schwierigkeit stünde, dass er noch vor dem Wahltag auch in letzter Instanz verurteilt und damit als Kandidat aus dem Rennen genommen werden könnte. Aksener hat aber völlig zu Recht darauf bestanden, man könne nicht einfach den Parteivorsitzenden der stärksten Partei der Opposition zum Kandidaten machen, wenn der erkennbar von den Wählerinnen nicht gewollt wird.

Will die Opposition ihre Chancen für die Wahl im Mai erhalten, muss sie sich nun dringend einigen. Sonst zerstört sie die Hoffnungen von Millionen von TürkInnen, die nach 20 Jahren endlich einen anderen Präsidenten als Erdoğan haben wollen.

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