Özdemir plant kein Werbeverbot für Milch: Für Süßkram kaum noch Fernsehspots

Ein Gesetzentwurf von Ernährungsminister Özdemir sieht weitgehende Werbeverbote für alle Süßigkeiten vor. Auch betroffen: Viel Knabberzeug wie Chips.

Drei Gummibärchen von Haribo in Nahaufnahme

Für Gummibärchen soll im TV von 6 bis 23 Uhr nicht mehr geworben werden. Essen darf man sie trotzdem Foto: ap

BERLIN taz | Haribo Goldbären, Kinder Schokolade oder Überraschungseier – das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplante Fernsehwerbeverbot zwischen 6 und 23 Uhr soll für sämtliche Süßigkeiten, Kuchen und Limonaden gelten. „Bewerbung nicht erlaubt“, steht im Referentenentwurf aus dem Ministerium des Grünen-Politikers neben der Lebensmittelkategorie „Schokolade und andere kakaohaltige Lebensmittelzubereitungen, Zuckerwaren einschließlich weiße Schokolade, Müsliriegel, süße Aufstriche und Desserts“. Ebenso bei „Kuchen, süße Kekse und ähnliches Kleingebäck“ sowie „Speiseeis“. Werbung für Trinkmilch ohne Zuckerzusatz dagegen soll – anders, als die Bild-Zeitung auf ihrer Internetseite behauptete – nicht eingeschränkt werden. Der Gesetzentwurf, der unter 14-Jährige schützen soll, liegt der taz vor.

Auch Hörfunkspots zwischen 6 und 23 Uhr, Werbung bei Inhalten für Kinder im Internet oder in der Presse und Werbetafeln für ungesunde Lebensmittel im Umkreis von 100 Metern, beispielsweise um Schulen, sollen demnach nicht mehr zulässig sein.

Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett und Salz außerhalb des Zeitfensters sowie auf Internetseiten und in gedruckten Veröffentlichungen mit der Zielgruppe Jugendliche und Erwachsene oder Sponsoring etwa von Veranstaltungen wären nur dann untersagt, wenn sie sich „ihrer Art nach“ speziell an Kinder richten. Das ist laut Entwurf zum Beispiel der Fall, wenn Kinder zu sehen sind oder die Aufmachung beziehungsweise Sprache unter 14-Jährige besonders anspricht. Coca-Cola etwa dürfte weiter Fußballspiele sponsern, solange der Getränkekonzern dabei keine Kindermotive verwendet.

Verstöße sollen als Ordnungswidrigkeit „mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden“. Verantwortlich seien die Lebensmittelunternehmen und andere Werbetreibende.

Die Einschränkungen gelten aber nur für Lebensmittel, die etwa mehr Fett und Zucker haben, als im Gesetzentwurf für jede Produktkategorie festgelegt ist. „Knabberartikel“ sind demnach betroffen, wenn sie Zucker und mehr als 0,1 Prozent Salz enthalten. Für „Chio Red Paprika Chips“ beispielsweise dürfte nur noch sehr eingeschränkt geworben werden, weil sie 15-mal so viel Salz haben. Werbung für Milch (auch Hafer-, Soja- oder Mandeldrinks) und Säfte ist immer und überall zulässig, wenn ihnen weder Zucker noch Süßungsmittel zugesetzt worden sind. Granini-Orangensaft ist gemäß Entwurf safe. Normale Trinkmilch kann also weiter wie bisher beworben werden, „Müllermilch Schoko“ dagegen nicht.

Auch die Werbung für alle „Energydrinks“, zum Beispiel von Red Bull, soll stark reduziert werden. Ebenso für die meisten Erfrischungsgetränke wie Cola, weil sie fast immer Zucker oder Süßungsmittel enthalten. Werbung für Frühstückscerealien wie Kellogg's Corn Flakes soll erlaubt bleiben. Für „Smacks“ aber nicht, denn sie enthalten mehr als die zulässigen 15 Prozent Zucker. Eng wird es ebenfalls für die „Danone Fruchtzwerge Erdbeere“, weil sie zu mehr als 2,5 Prozent aus Fett und zu über 10 Prozent aus Zucker bestehen. Die „Danone Fruchtzwerge weniger süß“ hingegen kämen durch.

Butter, Margarine und Käse würden wegen zu viel Fett und gesättigter Fettsäuren meist betroffen sein von den Werbeeinschränkungen. Zahlreiche Fertiggerichte wie „Iglo Green Cuisine Lasagne mit vegetarischem Hack“ jedoch liegen im grünen Bereich. Eine Ausnahme ist „Knorr Fix Lachs-Sahne Gratin“, da es die Grenzwerte für Fett (10 Prozent), gesättigte Fettsäuren (4 Prozent) und Energie (225 Kilocalorien) reißt. Brot ist meist ebenfalls okay, aber der „Brandt Markenzwieback“ zum Beispiel hat mehr als die erlaubten 10 Prozent Zucker. Für Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte – ob frisch oder gefroren – gibt es keine Höchstwerte, die einzuhalten wären.

Die Limits sind überwiegend von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegt worden. Anders als Özdemirs Entwurf empfiehlt sie allerdings Werbeeinschränkungen auch für Vollmilch und alle Säfte. „Milch ist ein Lebensmittel, das Nährstoffe wie etwa Calcium und Jod beinhaltet, die für Kinder in der Wachstumsphase besonders wichtig sind. Obst- und Gemüsesäfte können viele wichtige Vitamine liefern und daher einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung leisten“, teilte sein Ministerium mit.

Koalitionspartner FDP lehnt die Zeitfensterregel ab. Werbeverbote sollten nach dem „tatsächlichen Zuschaueranteil von Kindern“ festgelegt werden. Der kann aber gering sein, selbst wenn viele Kinder zusehen. Für Internet und Sponsoring fordert die Partei keine Begrenzung.

Fehlernährung trägt dazu bei, dass laut Robert-Koch-Institut 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig und damit später anfällig für Krankheiten wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkt sind.

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