Mord unter Kindern: Kein Fall für Sühne

Die Öffentlichkeit interessiert sich für Fälle wie jenen in Freudenberg. Ein Recht, zu erfahren, ob diese Tat genug gesühnt wird, hat sie aber nicht.

Blumen und Kerzen stehen in einer Waldlandschaft

Blumen und Kerzen am Fundort des getöteten Mädchens in Freudenberg Foto: Roberto Pfeil/dpa

Das Entsetzen ist groß, seit bekannt wurde, dass eine Zwölfjährige in Freudenberg offenbar von zwei Mädchen erstochen wurde. Eine Zwölf- und eine Dreizehnjährige sollen die Tat gestanden haben. Das ist furchtbar für die Familie des Opfers und alle Beteiligten. Doch was jetzt nicht hilft, ist eine reflexhafte Diskussion über Konsequenzen wie schärfere Gesetze.

Dass Kinder Täter werden, lässt sich nicht zu hundert Prozent verhindern, doch es ist extrem selten. Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 19 Verdachtsfälle von Mord oder Totschlag durch Kinder. Die Gewalt von Kindern und Jugendlichen insgesamt geht seit 2007 stark zurück. Eine gute Nachricht, auch weil eine Zeit lang zur Gewaltbekämpfung üble Konzepte Mode waren.

Auch nun fordern erste Stimmen eine Herabsetzung der Strafmündigkeit. Denn derzeit können Kinder unter vierzehn Jahren nicht strafrechtlich belangt werden. Und angeblich seien Zwölfjährige heute reifer als früher.

Aber das ist falsch. Kinder müssen heute schon früh viel mehr Informationen verarbeiten. Seit Pandemie und Homeschooling liegt das internetfähige Smartphone in fast jedem Kinderzimmer. Aber das heißt nicht, dass Kinder wie Erwachsene denken und handeln. Im Gegenteil, das erfordert mehr Begleitung durch Erwachsene mit offenem Ohr für das, was sie bewegt.

Die Tat ist auch schrecklich für die Mädchen, die diese gestanden. Hier muss das Helfersystem jetzt in Ruhe seine Arbeit machen. Es wäre nicht richtig, sie ersatzweise statt ins Gefängnis in ein Erziehungsheim der Jugendhilfe zu stecken. Jedenfalls nicht als Strafe, sondern nur, wenn es die passende Hilfe ist. Denn für diese Kinder geht es nun darum, wie sie mit der Tat fertigwerden und leben können.

Die Öffentlichkeit interessiert sich logischerweise für so ungewöhnliche Fälle, aber sie hat nicht das Recht, zu erfahren, ob diese Tat genug gesühnt wird. Selbst wenn sie schon vierzehn wären, stünde im dann zuständigen Jugendstrafrecht die Erziehung und Resozialisierung im Vordergrund und nicht Sühne.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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