Koalitionsverhandlungen in Berlin: Schwarz-Rot kauft sich gutes Klima

Die künftigen KoalitionärInnen CDU und SPD wollen ein milliardenschweres Klima-Sondervermögen auflegen. Die Initiative Klimaneustart ist skeptisch.

Franziska Giffey, Raed Saleh, Kai Wegner und andere im Abgeordnetenhaus

Haben einen Lauf: die scharz-roten VerhandlerInnen in Aktion Foto: picture alliance/dpa | Carsten Koall

BERLIN taz | Anderthalb Wochen vor dem Klimavolksentscheid gehen CDU und SPD in die Offensive. „Ein Kernthema ist für uns der Klimaschutz“, sagte der designierte Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). „Deswegen wollen wir Geld in die Hand nehmen.“ Die noch amtierende SPD-Regierungschefin Franziska Giffey ergänzte: „Wir werden in den Klimaschutz investieren, wie es noch kein anderes Bundesland bisher gemacht hat.“

Große Worte, denen auf der Sitzung der sogenannten Dachgruppe im Rahmen der Koalitionsverhandlungen am Mittwoch auch ein Beschluss vorangegangen war: Fünf Milliarden Euro will Schwarz-Rot an Krediten aufnehmen, um ein „Sondervermögen Klimaschutz, Resilienz und Transformation“ einzurichten. So steht es in einem Papier, das bereits am Dienstag verabschiedet wurde. Nach einer Evaluation zum Ende des Jahres 2024 könne das Sondervermögen um weitere fünf Milliarden Euro aufgestockt werden, heißt es darin.

Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche vom Mittwoch betonte Wegner, es handele sich bei diesem Beschluss nicht um eine Reaktion auf den Klimavolksentscheid. Vielmehr sei das Sondervermögen eine Investition in die Zukunft. Über die „großen Linien“ wolle man sprechen, sagte er und betonte, dass sich CDU und SPD auch auf eine Präambel für den Koalitionsvertrag geeinigt haben. „Der Koalitionsvertrag muss die Überschrift haben: Das Beste für Berlin“, sagte der CDU-Mann. „Wir wollen einen echten Aufbruch für unsere Stadt und eine Koalition der Erneuerung sein.“

Dazu gehörten auch die Investitionen in die Mobilität und die Gebäudesanierung. Wegner betonte dabei, dass es für die Betroffenen, also auch die Mieter, nicht teurer werden dürfe. Die Antwort auf die Frage, wann Berlin mit den 5 bzw. 10 Milliarden klimaneutral sein werde, blieb offen. „Frühestmöglich“, sagte dazu CDU-Generalsekretär Stefan Evers lediglich. Wo genau das frische Geld investiert wird, soll nun eine Arbeitsgruppe erarbeiten, die am Mittwoch zusätzlich zu den bereits bestehenden 13 Arbeitsgruppen gebildet wurde.

Briefwahl Zwölf Tage vor dem Volksentscheid für ehrgeizigere Klimaziele in Berlin hat das Landeswahlamt mehr als 400.000 Abstimmungsscheine ausgestellt. Damit können laut Landeswahlleitung rund 16,7 Prozent der Stimmberechtigten an dem Entscheid zur schnelleren Klimaneutralität teilnehmen. „405.000 Briefwahlanträge – lasst uns gemeinsam die 500k knacken!“, schrieb die Initiative Klimaneustart auf Twitter.

Abstimmung Den Volksentscheid hat das Bündnis Klimaneustart durchgesetzt. Es will erreichen, dass Berlin bis 2030 und nicht wie vorgesehen erst bis 2045 klimaneutral wird. Dafür soll das Energiewendegesetz des Landes geändert werden. Voraussetzung ist, dass am 26. März eine Mehrheit der Wähler*innen dafür stimmt, mindestens aber 25 Prozent der Wahlberechtigten. Nötig sind also rund 613.000 Ja-Stimmen. (dpa)

Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark hatte bereits am Dienstagabend beim taz-Talk mit dem Grünen-Fraktionschef Werner Graf und der Sprecherin der Volksentscheids-Initiative Jessamine Davis die Pläne für ein solches Sondervermögen bestätigt – allerdings noch ohne eine genaue Summe zu nennen. Als Sprecher seiner Fraktion für Umwelt und Klimaschutz verhandelt Freymark in der Koalitions-Arbeitsgruppe für Mobilität, Klimaschutz und Umweltschutz. Die nötigen Milliarden würden „natürlich als Schulden aufgenommen“, sagte der Politiker, schließlich gebe es im regulären Haushalt keine entsprechenden Spielräume.

Wie bei Corona

Für einen Christdemokraten eher ungewöhnlich, bemühte Freymark ein starkes Bild dafür, wie dringend die zusätzlichen Klima-Mittel gebraucht werden: „Man braucht hier eine Art Corona-Ausnahmezustand.“ Die Pandemie habe schließlich gezeigt, dass in besonderen Notlagen auch sehr große Summen aktivierbar seien. „Ich habe zu den Klima-Aktivisten gesagt: Wenn das bei Corona möglich ist, verstehe ich euren Unmut“, sagte Freymark.

In diesem Punkt unterschied sich die Position des CDU-Manns wenig von der seines Kontrahenten Werner Graf. Der forderte in der taz-Kantine ebenfalls, dass der künftige Senat „viel Geld in die Hand nehmen“ müsse. „Es ist kein Geheimnis, dass wir als Grüne immer für Schuldenaufnahme waren“, sagte Graf.

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Bei der Initiative Klimaneustart Berlin, die den Volksentscheid ins Leben gerufen hat, ist man skeptisch. Es sei zwar zu begrüßen, dass die schwarz-roten VerhandlerInnen „mehr Geld in den notwendigen Umbau der Stadt investieren“ wollten, sagte Sprecher Stefan Zimmer zur taz. „Ohne Zielvorgaben sind das erst einmal nur Lippenbekenntnisse.“ Der neue Senat müsse sich an der konkreten Umsetzung bei Verkehrs-, Wärme- und Energiewende messen lassen.

In seiner amtlichen Kostenschätzung zum Volksentscheid erwähnt der amtierende Senat „gesamtwirtschaftliche Investitionskosten mindestens in hoher zweistelliger Milliardenhöhe“, die zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2030 notwendig seien. Wie viel davon vom Land zu finanzieren wäre, könne „gegenwärtig nicht abgeschätzt“ werden.

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