Klimapolitik in den USA: Biden genehmigt Ölförderung

Entgegen seiner Wahlkampfversprechen erlaubt der US-Präsident weitere Bohrungen in Alaska. Klimaschützer wollen das vor Gericht anfechten

Aktivistin Siqiniq Maupin am Mikrophon vor dem Weißen Haus in Washington

„Präsident Biden, stellen Sie sich auf die richtige Seite der Geschichte“: Siqiniq Maupin im März Foto: Bryan Olin Dozier/imago

NEW YORK taz | Bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hatte Joe Biden eine „grüne Wende“ und „saubere Energien“ angekündigt. Nun fühlen sich viele Klimaschützer vor allem in Alaska vom US-Präsidenten verraten. Biden hatte am Montag angekündigt, die seit Jahren größte neue Ölförderlizenz auf bundeseigenem Land zu erteilen.

Der Ölkonzern Conoco Phillips, der die Förderrechte für das Gebiet in Alaska hat, jubelt hingegen lautstark, sekundiert von Gewerkschaften und Politikern beider Parteien, die auf Renditen und Arbeitsplätze verweisen. Die indigenen Gruppen sind zwischen beiden Seiten gespalten. Mit der neuen Genehmigung können in dem „Willow Projekt“ am Nordrand der USA in den nächsten 30 Jahren täglich bis zu 180.000 Barrel Öl aus dem Boden geholt werden.

Noch Anfang März waren Klimaschützer aus Alaska nach Washington gekommen. Vor dem Weißen Haus warnten sie vor der „Klima­bombe“ und forderten, Öl und Gas im arktischen Boden zu lassen. „Präsident Biden, stellen Sie sich auf die richtige Seite der Geschichte“, flehte die aus Fairbanks angereiste Demonstrantin Siqiniq Maupin.

„Das Bekenntnis zu sauberer Energie ist bedeutungslos, wenn gleichzeitig Konzerne Freibriefe bekommen, zu plündern und zu verschmutzen“, erklärte Wenonah Hauter von der Gruppe Food and Water Watch. Und Klimaschützer Al Gore, ein Parteifreund von Biden, der 1980 selbst Präsidentschaftskandidat war, nannte das Willow Projekt „rücksichtslos“ und „verantwortungslos“. Auch Sprecher der Vereinten Nationen und Klimaforscher kritisierten das ­Vorhaben.

„Öl-Dividenden“ bringen 3.000 Dollar pro Kopf

Fünfeinhalb Tausend Kilometer nordwestlich der US-Hauptstadt, in unmittelbarer Nähe des gigantischen Ölprojekts, versuchte Rosemary Ahtuangaruak bis zuletzt, eine Fördergenehmigung aus dem Weißen Haus zu verhindern. Die Bürgermeisterin des Ortes Nuiqsut, in dem viele der 500 Einwohner weiterhin von der Subsistenzjagd und -fischerei leben, sprach von einer „vorprogrammierten Klimakatastrophe“ mit „unumkehrbaren Konsequenzen“ für Mensch und Natur und für die Zukunft der indigenen Gemeinschaft.

Sie mahnte auch, dass gerade die Arktis von zusätzlicher Luft- und Wasserverschmutzung verschont werden müsste. Denn dort steigen die Temperaturen deutlich schneller als im Rest der Welt. Zugleich wusste sie, dass sie eine einsame Stimme in einem großen Chor von Befürwortern der neuen Fördergenehmigungen war. „Stimmen wie meine“, sagte sie, „werden übertönt“.

Mit der Genehmigung aus Washington können künftig Dutzende neue Ölquellen im „National Petroleum Reserve“ gebohrt werden. In dem Gebiet, das alljährlich von Hunderttausenden Zugvögeln, aber auch von großen Tieren wie Karibus und Bären durchquert wird, sind mehr als 60 zusätzliche Kilometer Schotterstraßen, mehr als 600 zusätzliche Kilometer Pipelines sowie neue Start- und Landebahnen und Brücken geplant.

Alaska mit seinen 700.000 Einwohnern ist nicht nur der flächenmäßig größte Bundesstaat der USA, es ist auch der ölfreundlichste. Dafür mitverantwortlich sind die „Öldividenden“, die seit 1982 alljährlich an die Bürger ausgezahlt werden. Im letzten Herbst betrug die Summe knapp 3.000 Dollar pro Kopf.

Regierung rechtfertigt die Genehmigungen als Kompromiss

In der Mineralölfrage sind die Unterschiede zwischen den Parteien in Alaska klein. Alle drei Kongressabgeordnete aus Alaska haben sich für das Willow Projekt ausgesprochen. Die langjährige republikanische Senatorin Lisa Murkowski nennt die Genehmigung eine „sehr gute Nachricht für Alaska und für unser Land“, weil es Arbeitsplätze und Geld nach Alaska bringe.

Die Demokratin Mary Peltola, die im vergangenen November als erste indigene Einwohnerin Alaskas in das US-Repräsentantenhaus gewählt wurde, kommentiert: „Es gibt so viel Konsens in der Region und in Alaska, dass es ein gutes Projekt ist.“ Nagruk Harchareh, Präsident der Voice of the Arctic Iñupiat, nennt das Projekt „ausgewogen“ und freut sich auf Steuergelder, „die gut für die Communitys“ seien sowie mehr Infrastruktur und öffentliche Dienste brächten.

Der Ölkonzern Conoco Phillips hatte ursprünglich Fördergenehmigungen für fünf Ölfelder in dem National Petroleum Reserve beantragt. Doch nachdem am Montag die Genehmigung für drei davon kam sowie die gleichzeitige definitive Ablehnung für Ölförderung in den beiden anderen Feldern, reagierte Konzernchef Ryan Lance, als hätte er nie etwas anderes erwartet. Es sei „die richtige Entscheidung für Alaska und die Nation“, sagte er.

Das Weiße Haus versucht die neuen Ölfördergenehmigungen als klimapolitisch richtigen Kompromiss zu rechtfertigen. Begründung: Gleichzeitig seien weite Teile des National Petroleum Reserve und die Beaufortsee langfristig unter Schutz gestellt worden. Das verschaffe Wandervögeln und anderen Tieren auf dem Land sowie Walen und anderen Meeresbewohnern sichere Gebiete. Außerdem solle die Ölförderung in Alaska durch Wiederaufforstungen in Nationalparks begleitet werden.

Klimagruppen wollen sich nicht mit Kompromissen bei fossilen Brennstoffen zufrieden geben. Sie wollen die Entscheidung vor Gericht anfechten.

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