Karstadt am Berliner Hermannplatz: Es muss nicht immer glänzen

Am Hermannplatz interessiert sich jetzt das Denkmalamt für das Karstadt-Gebäude. Es ist auch höchste Zeit für eine Wertschätzung von Nachkriegsbauten.

Das Kaufhaus Karstadt am Berliner Hermannplatz hat die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet

Zurückhaltender Glanz: Karstadt-Gebäude am Hermannplatz Foto: picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Ist das ein Denkmal oder kann das weg? Über diese Fragen streiten sich gerade das Landesdenkmalamt und das Immobilien-unternehmen Signa. Der österreichische Investor will das Karstadtgebäude am Hermannplatz aufwendig umbauen und erweitern. Nun meldete das Landesdenkmalamt Bedenken gegen die Umbau-Pläne an: Der bestehende Gebäudekomplex, ein eher unscheinbarer Funktionsbau aus den 50er Jahren, sei ein schützenswertes Baudenkmal. Obwohl noch unklar ist, wer sich am Ende durchsetzt, zeigt der Fall: das architektonische Erbe der Nachkriegszeit muss besser vor den Interessen privater In­ves­to­r:in­nen geschützt werden.

Signa plant, das Gebäude nach dem Vorbild des monumentalen historischen Vorgängers von 1929 wiederherzustellen, mitsamt Art-Deco-Fassade und zweier 60 Meter hoher Türme. Die SS sprengte damals in den letzten Kriegstagen das damals größte Kaufhaus Europas, übrig blieb nur ein Gebäudefragment, das heute immer noch erhalten ist. An dieses Fragment baute der Architekt Alfred Busse den Karstadt wieder auf: deutlich kleiner und eher zurückhaltend statt monumental. Über die Jahre wurde der Bau immer wieder erweitert, der zurückhaltende Charakter blieb.

Doch mit dem Understatement der Nachkriegsjahre lässt sich nur schwer Geld verdienen. Je spektakulärer, größer und einzigartiger ein Immobilienprojekt ist, desto einfacher lassen sich Geld­ge­be­r:in­nen finden, die frisches Kapital für neue Bauprojekte investieren, mit denen sich wiederum neues Kapital anziehen lässt. Klar, dass Signa deshalb das Maximum herausholen will, indem es den historischen Vorgänger wieder aufbaut, anstatt das eher unspektakulären Bestandsgebäude einfach nur zu sanieren.

Platz machen für profitablen Neubau

In vergleichbaren Fällen hat die Nachkriegsarchitektur bislang oft den Kürzeren gezogen. Im Gegensatz zur Gründerzeitbebauung aus der Kaiserzeit gilt sie als hässlich und wenig schützenswert. Viele Gebäude, wie das 1967 errichtete Pressehaus Constanze in der Kurfürstenstraße, wurden in den letzten Jahre ohne viel Aufsehen abgerissen, um Platz für profitablere Neubauten zu machen.

Dabei sind Nachkriegsbauten für In­ves­to­r:in­nen doppelt attraktiv. Zum einen lassen sich mit Neubauprojekten enorme Wertsteigerungen erzielen, zum Anderen gibt es in den wenigsten Fällen Widerstand aus der Politik oder Zivilgesellschaft.

Dass Signas Karstadt-Rekonstruktion am Hermannplatz derart starken Gegenwind bekommt, dürfte weniger an der Architektur des Gebäudes liegen als an de Befürchtung, die geplante Monumental-Architektur würde die Spekulationsspirale in der ohnehin schon stark von Gentrifizierung betroffenen Gegend weiter anheizen.

Dabei sind Nachkriegsimmobilien alles andere als architektonisch wertlos: Auch sie erzählen die Geschichte der Stadt, des Wideraufbaus und der Zerstörung durch den Krieg. In den für heutige Geschmäcker klobigen Fassaden spiegelt sich der damalige Zeitgeist wieder, in dem Gebäude in erster Linie nach den Bedürfnissen der Menschen designt wurden und nicht um in den Hochglanzbroschüren der Immobilienunternehmen gut auszusehen.

Deshalb ist es höchste Zeit, den Denkmalschutz von Nachkriegsgebäuden ernstzunehmen. Gewinnen würden alle, außer die Spekulant:innen: Bezahlbarer Wohnraum und Gewerbefläche bliebe erhalten, die architektonische Identität der Stadt würde gewahrt werden und Millionen Tonnen Kohlenstoff, die für die Produktion der Baumaterialien der opulenten Neubauten benötigt werden, im Boden bleiben.

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