Joschka Fischer bei Aschermittwoch: Grüner Machtanspruch mit Wums

Die hessischen Grünen wollen die nächste Landesregierung anführen und in Frankfurt die OB stellen. Auch Joschka Fischer legt sich dafür ins Zeug.

Joschka Fischer (Archivbild) Foto: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | Am Ende einer intensiven Diskussion viel Beifall, jede Menge Selfies mit dem prominenten Gast. Auch 18 Jahre nach seinem Abschied aus der aktiven Politik sind Auftritte des Grünen Oberrealos, der es einst bis zum Vizekanzler und Bundesaußenminister brachte, hier Heimspiele. Zum politischen Aschermittwoch hatten die Grünen Joschka Fischer in den „Kunstverein Familie Montez“ eingeladen, im Ostend der Stadt, in der sein persönlicher Marsch durch die Institutionen als Straßenkämpfer und Revolutionär begann.

„Nicht weil ich Langeweile habe“ sei er gekommen, sagt Fischer, sondern um zu helfen. Am 5. März wird in Frankfurt eine neue OB gewählt, nach dem unrühmlichen Abgang von Peter Feldmann setzen die Grünen auf die Bundestagsabgeordnete und Ex-Staatssekretärin Manuela Rottmann, die dort schon einmal Umweltdezernentin war.

Fast zeitgleich mit der Wahl in Frankfurt stehen OB-Wahlen in Darmstadt und Kassel an, ebenfalls mit aussichtsreichen Grünen Bewerbern. Mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir will die Partei bei der hessischen Landtagswahl im Oktober zudem erstmals einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten benennen. Nach zehn Jahren in den Zwängen einer Schwarz-Grünen Regierungskoalition greift die Partei in Hessen also nach Schlüsselpositionen und neuen Herausforderungen.

Ein Erfolg von Rottmann bei der OB-Wahl Frankfurt wäre dafür ein Auftakt nach Maß. Zunächst muss sie dafür allerdings die OB-Stichwahl erreichen. Auch CDU und SPD treten mit Finanzstaatssekretär Uwe Becker und Stadtrat Mike Josef aussichtsreiche KandidatInnen an. Nur die beiden Erstplatzierten bleiben im Rennen. Die Wahl am 5. März ist für keinen der drei BewerberInnen ein Selbstläufer.

Altbekannte Probleme

Fischer empfiehlt deshalb nachdrücklich Rottmann, „weil sie eine Vision von einer klimagerechten Welt hat, weil sie nicht vergisst, dass die besten Ideen auch umgesetzt werden müssen; das ist nicht überall in unserer Partei so“, lobt Realo Fischer die Kandidatin, die er von aus jahrzehntelanger Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen kennt.

Fischer und Rottmann werben angesichts des dramatischen Klimawandels für eine neue Stadtpolitik. Vor zehn Jahren habe sie die Frankfurter Kommunalpolitik verlassen; das für sie erschreckende sei, dass ihr im OB-Wahlkampf ziemlich genau die selben Themen begegneten, wie vor einer Dekade. Vieles ginge einfach zu langsam, nicht nur der Ausbau von erneuerbaren Energien.

So habe sie lernen müssen, dass in Frankfurt fast unbemerkt von der Öffentlichkeit 80 Rechenzentren mit einem „irrsinnigen Stromverbrauch“ entstanden seien. Es sei versäumt worden, staatliche Vorgaben zu machen. Allein mit der Abwärme dieser Einrichtungen ließen sich alle Haushalte in Frankfurt mit Heizungswärme versorgen, so Rottmann. Die nötigen Transformation in eine klimagerechte Welt müsse gerade in den Städten ansetzen. Bei der Dekarbonisierung des Verkehrs werde es dabei nicht ohne Einschränkungen abgehen können. „Wer mit 230 über die Autobahn rast, konsumiert die Freiheit derer, die nach ihnen kommen“, so Rottmann und „ein Wochenende Malle für 25 Euro wird es dann nicht mehr geben“, ergänzt Fischer.

Beide zeigen klare Kante auch bei den Themen, die die Grünen von ihrer Basis in den sozialen Bewegungen entfremden könnten. Zum Militärhilfe für die Ukraine gebe es angesichts des russischen Angriffskriegs keine Alternative. „Worüber will man verhandeln, dass die Ukraine nachgibt?“, fragt Fischer rhetorisch.

Weder für den Kohleabbau in Lützerath noch für die Waldrodungen im Frankfurter Stadtteil Fechenheim für einen Autobahntunnel seien die Grünen verantwortlich. „Die anderen, die diese Projekte durchgesetzt habe, versuchen jetzt die Verantwortung uns Grünen zuzuschieben, weil wir nicht genug Widerstand geleistet hätten“, beklagt sich Rottmann.

Unfreiwillig komische Moderatorin

Angesichts von Krieg und Klimakrise mäßigt sich auch der Altmeister der politischen Polemik an diesem Aschermittwoch. Er belässt es bei Spitzen über den abgewählten und inzwischen aus der SPD ausgetretenen Oberbürgermeister Feldmann. „Es wäre angemessen, wenn seine Partei erst mal zu sich selbst finden würde“, gibt er dem Frankfurter Koalitionspartner SPD mit, ohne deren OB-Kandidaten namentlich zu nennen.

Für unfreiwillige Komik sorgt indes die Moderatorin des Abends. Joschka Fischer erträgt gelassen, als Metzgerssohn und ehemaliger Frankfurter Taxifahrer zum „Urgestein der Grünen“ und zur „prägenden Figur der Zeitgeschichte mit eigener Beratungsfirma“ erklärt zu werden. Doch mit der Begrüßung der Kandidatin Rottmann trifft die Moderatorin das Fettnäpfchen und bringt den weißen Elefant im Raum auf die Bühne. Erstmals greife diesmal eine Grüne nach dem Amt der Frankfurter Bürgermeisterin, sagt sie. Mit der amtierenden Bürgermeisterin Nargess Eskandari Grünberg trägt aber bereits seit der letzten Kommunalwahl eine Grüne Parteikollegin die Amtskette der Bürgermeisterin.

Die Integrationsdezernentin hätte auch gerne für das Amt der OB kandidiert, doch die Findungskommission zog ihr Rottmannn vor. Einige Grünen-KommunalpolitikerInnen verfolgen den OB-Wahlkampf deshalb aus dem Schmollwinkel. „Werft Euer Herz über die Hürde und macht das ominöse Kreuz bei Manuela Rottmann“, ruft „Joschka“ schließlich mit ungewöhnlichem Pathos seinen ParteifreundInnen zu. An ihm wird es nicht gelegen haben, sollte die Sache am 5. März für die Grünen in Frankfurt am Main schlecht laufen.

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