Russland und Belarus: Blaupause zur Übernahme

Ein internes Papier zeigt, wie Russland sich bis 2030 schrittweise Belarus einverleiben will. Dabei ist die Annexion längst voll im Gange.

Alexander Lukaschenko.

Herrscher von Putins Gnaden: der belarussische Machthaber Lukaschenko Foto: reuters

BERLIN taz | Russlands feindliche Übernahme des Nachbarn Belarus soll bis 2030 komplett vollzogen sein. Das geht aus einem internen russischen Papier hervor, das Medien aus mehreren Ländern, unter ihnen der Süddeutschen Zeitung, vorliegt. Das Dokument unter dem Titel „Strategische Ziele der Russischen Föderation in Belarus“, das Ex­per­t*in­nen für authentisch halten, stammt von 2021.

Laut Fahrplan soll sich die Eingemeindung von Belarus in mehreren Etappen vollziehen: Die belarussische soll der russischen Gesetzgebung angepasst, Minsks Außenpolitik – im Einklang mit den Interessen der Russischen Föderation – künftig in Moskau gemacht werden. Zudem wird die Präsenz russischen Militärs auf dem Territorium von Belarus aufgestockt.

Erhöht werden soll auch die Anzahl russischer Medien in Belarus. Zudem ist es ein erklärtes Ziel, den Vorrang der russischen vor der belarussischen Sprache wiederherzustellen. Das Verfahren zur Ausstellung russischer Pässe an belarussische Staats­bür­ge­r*in­nen soll vereinfacht werden, um dadurch „eine Schicht von ­Rus­s*in­nen zu schaffen, die an einer Integration interessiert ist“.

An der Ausarbeitung des Papiers waren neben dem Generalstab und dem Inlandsge­heimdienst FSB auch die Leitung des Militärnachrichtendienstes (GRU) sowie die Präsidialverwaltung beteiligt. Für letztere federführend tätig war laut der russischen Investigativplattform „Zentrum Dossier“ Alexei Filatow. Er hatte in der Vergangenheit die Interessen des Kremls in den von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien vertreten sowie die „Zusammenarbeit“ Russlands mit den sogenannten ostukrai­nischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk in den Bereichen Humanitäres und Politik kuratiert.

Auch vor Bildung und Wissenschaft macht Russland nicht halt. Die Schaffung von Orten, um die russische Einheitsaufnahmeprüfung für Hochschulen (EGE) abzulegen, ist ebenso vorgesehen wie die Einrichtung von Wissenschafts- und Kulturzentren in den Städten Mogilow, Grodno und Witebsk.

Der Unionsvertrag von 1999 blieb ein Papiertiger

Grundlage für den Plan, der Belarus als eigenständigen Staat von der Landkarte tilgen würde, ist der Unionsvertrag von 1999. Den hatten der damalige russische Präsident Boris Jelzin und der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko unterzeichnet. Doch der Vertrag blieb ein Papiertiger. Immer wieder gelang es Lukaschenko, sich den Umarmungsversuchen erfolgreich zu widersetzen.

Damit ist es seit der gefälschten Präsidentenwahl vom 9. August 2020, die wochenlange Massenproteste zur Folge hatten, vorbei. Lukaschenko ist trotz aller massiven Repressionen gegen seine Kri­ti­ke­r*in­nen massiv geschwächt. Er ist nur noch ein Herrscher von Putins Gnaden.

Im November 2021 unterzeichneten Putin und Lukaschenko ein Dekret, das eine engere Kooperationen vorsieht – so eine gemeinsame Militärdoktrin, eine Vereinheitlichung der Wirtschaftsgesetzgebung sowie der Renten- und Steuersysteme. Seit dem Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine dient Belarus russischen Truppen als Aufmarschgebiet. Diese werden auch logistisch unterstützt. Ein offizieller Kriegseintritt von Belarus wird mehr und mehr wahrscheinlich. Russlands Landnahme ist praktisch in vollem Gange. Nun liegt der Annexionsplan auch schwarz auf weiß vor.

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Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

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