Vereinsgründer über Bürger-Solarfabrik: „Anstrengend, aber bereichernd“

Gerhard Kreutz hat eine baden-württembergische Initiative für eine Zell- und Modulfertigung in Deutschland gegründet. Die Fabrik soll in Bürgerhand sein.

Solarmodulen aus der Vogelperspektive fotografiert auf einem großen Feld

Solarmodule kommen derzeit meist aus China – und bald vielleicht auch wieder aus Deutschland Foto: Paul Langrock

taz: Herr Kreutz, Ihre Idee klingt verwegen: eine Bürger-Solarfabrik für Deutschland. Ist das wirklich realistisch?

Gerhard Kreutz: Klar! Wenn 300 Energiegenossenschaften in Deutschland jeweils zwei Millionen Euro aufbringen – das entspricht dem Eigenkapital einer einzigen, bürgerfinanzierten Windkraftanlage –, dann haben wir 600 Millionen zusammen. Die Fabrik kostet eine Milliarde. Wir hoffen außerdem auf Förderung, doch zu schaffen wäre das auch ohne. Bankkredite möchten wir wegen des genossenschaftlichen Ansatzes so sparsam wie möglich in Anspruch nehmen.

Was bedeutet „Solarfabrik“ genau? Wollen Sie nur die Module fertigen oder auch die Vorprodukte?

Die Milliarde reicht für die Fertigung der Zellen und anschließend der Module. Die Vorstufen, also der Ingot und die Wafer, die werden zumindest anfangs noch andernorts gefertigt. [Anm.: Ingots sind die Siliziumbarren, aus denen die Siliziumscheiben, die Wafer, gesägt werden, aus denen wiederum die Zellen gefertigt werden.]

Die Wafer kommen heute fast vollständig aus China. Die Abhängigkeit Deutschlands würde also bestehen bleiben …

Wir gehen davon aus, dass die europäische Wafer-Fertigung, die es ja in bescheidenem Umfang gibt, dann ausgebaut wird, wenn die Weiterverarbeitung in Europa in großem Stil stattfindet.

Wie will ein kleiner Verein aus dem Schwäbischen ein solches Projekt stemmen?

Das machen wir natürlich nicht alleine. Wir konnten inzwischen namhafte Vertreter aus der Solarwirtschaft gewinnen. Ich wusste, dass das Thema viel Strahlkraft hat, aber die Resonanz hat mich dann doch überwältigt. Paul Grunow ist mit im Boot, er ist der Gründer von Solon und Q-Cells. Ebenso ist Peter Fath dabei, der Gründer von Sunways. Sein Team von der Konstanzer Firma RCT projektiert derzeit Photovoltaik-Fabriken mit einer Kapazität von 72 Gigawatt – unter anderem in den Vereinigten Staaten und in Indien.

69 Jahre, war als Gründer der Energie-Initiative Kirchberg e. V. im hohenlohischen Kirchberg/Jagst im Jahr 1994 einer der Solarpioniere Deutschlands. Heute ist er Ideengeber und Initiator einer Bürger-Solarfabrik, die 2025 anlaufen könnte.

Gibt es für Ihr Projekt schon mögliche Standorte?

Wir denken an alte Kohleregionen, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Aber auch aus Brandenburg wurde uns schon Interesse signalisiert. Ebenso aus Frankfurt an der Oder. Wir brauchen etwa 65 Hektar, um jährlich Zellen und Module mit einer Leistung von 5 Gigawatt zu produzieren. Das sind 15 Millionen Module im Jahr, die von 4.000 Mitarbeitern im Drei- oder Vierschichtbetrieb produziert werden können. Wir hoffen auf einen Spatenstich 2024 und einen Produktionsbeginn für eine erste 1-Gigawatt-Linie bereits 2025. Auch die Maschinen, die wir einsetzen, sollen aus Deutschland kommen.

Wenn jetzt ein Großinvestor mit hohen Millionenbeträgen winkt, was machen Sie dann?

Der soll in andere Projekte investieren. Wir planen eine Produktion nach den Gemeinwohl-Prinzipien und das betrifft natürlich auch die Höhe der Gehälter. Unsere Renditen sind auch gesellschaftliche – zum Beispiel werden wir Erlöse in Bildung und Infrastruktur wie E-Mobilität auf dem Lande stecken.

Andere Firmen klagen über hohe Strompreise, aber diese schrecken Sie nicht?

Das Gejammer kann ich nicht mehr hören. Die Fossilindustrie bekämpfte jahrzehntelang die Erneuerbaren, und nun siedeln sich große Firmen wie Intel nur noch dort an, wo erneuerbarer Strom verfügbar ist. Bei Produktionskosten inklusive Speicher von 10 bis 12 Cent pro Kilowattstunde für Wind und Sonne kann kein Kohle- oder Gaskraftwerk mithalten. Unsere Fabrik, deren Anschlussleistung bei 160 Megawatt liegen wird, wird ein großes Strom-, Wärme- und Speicherkraftwerk darstellen. Die Batteriespeicher von Mitarbeiterfahrzeugen kommen als Ausgleich hinzu. Wir werden das eindimensionale, fossile Denken im großen Maßstab entlarven. Ich habe den öffentlichen Start des Projekts bewusst auf die Zeit um den Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine gelegt, denn fossile Energien spielen in dem Krieg eine große Rolle.

Werden Sie also wettbewerbsfähig produzieren können?

Wir streben eine europaweit vernetzte, große solare Erzeuger- und Verbraucher-Gemeinschaft an. Die Energiegenossenschaften und ihre Mitglieder werden bei uns kaufen, weil sie in den heimischen Modulen einen Mehrwert sehen. Vor allem wollen wir Module für Dach- und Balkonkraftwerke der Bürger liefern. Freiflächen-Anlagen, die unsere Bürger-Module einsetzen, müssen selbstredend auch mit Bürgerbeteiligung betrieben werden. Unser Prinzip ist das Gemeinwohl und das macht die Fabrik so besonders. Das soll man übrigens auch am Firmenstandort sehen; wir begreifen den Fabrik-Park als Lebensraum, wo Leben und Arbeiten den Stellenwert erhalten, der ihnen gebührt.

Und wo sehen Sie persönlich Ihre Rolle im Unternehmen?

Es war anstrengend, aber bereichernd. Nun kann das Projekt in professionelle Hände übergehen, also die Industriepartner um Paul Grunow, Energie-Gemeinschaften und engagierte Unterstützer, die wir nach wie vor suchen. Ich bin unendlich dankbar für diese Chance der Zukunftsgestaltung und werde das Projekt als Initiator, Ideengeber und Botschafter weiter begleiten.

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