Globaler Klimastreik in Hamburg: „Autoverkehr überfüllt die Stadt“

Am Freitag streiken Fridays for Future weltweit fürs Klima. Für Hamburg äußert Annika Kruse Ziele wie eine autofreie Innenstadt oder eine Straßenbahn.

Viele Rasfahrende mitten auf einer großen Straße

Straßenraum zurückerobern: Fahrradsternfahrt auf der Ludwig-Erhard-Straße in Hamburg Foto: Gworg Wendt/dpa

taz: Frau Kruse, was nervt Sie gerade am meisten?

Annika Kruse: Wir müssen seit vier Jahren streiken. Es gibt keine ordentliche Klimapolitik, die im Einklang mit der Wissenschaft steht. So lange das nicht passiert, müssen wir weiterhin auf die Straße gehen.

Wieso kleben Sie sich nicht auf die Straße?

Für uns als Massenbewegung ist es natürlich wichtig, dass sich uns jeder anschließen kann, der möchte. Eine Mutter mit kleinen Kindern, Schülerinnen oder auch ältere Leute. Unsere Demos sollen ein Ort sein, wo Menschen hingehen können, egal wie sie sind, um einfach für das Klima zu demonstrieren. Wir wollen einen barrierefreien Klimaaktivismus.

Diesmal wollen Sie bei Ihrem Streiktag den Verkehr in den Mittelpunkt stellen. Was fordern Sie?

Der ÖPNV in Hamburg muss massiv ausgebaut werden. Wir haben derzeit eine viel zu schwache Anwendung an allen äußeren Randbezirken. Die Taktung ist zu gering. Wir brauchen viel mehr, zum Beispiel regelmäßige Busse. Es ist aber auch wichtig, dass es für die Beschäftigten eine faire Bezahlung gibt. Der ÖPNV wird in den nächsten Jahrzehnten so nicht aufrecht­erhalten werden können, weil zu wenig neue Beschäftigte kommen und viel zu viele gehen werden. Dieser Job muss attraktiv für junge Leute sein.

Sie möchten, dass Hamburg vom Individualverkehr befreit wird. Heißt: keine Autos mehr?

Nein, nicht in ganz Hamburg. Wir möchten aber eine sehr ausgeweitete, autofreie Innenstadt. Der Jungfernstieg zeigt ja schon, dass es möglich ist, Straßen teilweise autofrei zu gestalten.

Sie sagen: Hamburg ist die Stau-Stadt Nummer eins. Welche Folgen hat das für Umwelt und Menschen?

Mit einer besseren Verkehrspolitik wird die Lebensqualität der Menschen verbessert. Es besteht nicht nur das Problem, dass vom Autoverkehr massiv Schadstoffe kommen, sondern auch, dass die Stadt voll ist und dass der Autoverkehr die Stadt auch langsam überfüllt. Es muss eine Zeit geben, in der die Stadt vom Autoverkehr befreit und an die Menschen zurückgegeben wird.

Die A1 und die A7 sind nicht verbunden, sodass der Schwerlastverkehr durch die Stadt fährt. Um das zu lösen, ist die Hafenquerspange geplant. Die Autos würden nicht mehr durch die Stadt fahren. Warum sind sie trotzdem dagegen?

Annika Kruse

21, studiert Politikwissenschaft an der Uni Hamburg. Sie ist seit 2019 bei Fridays for Future und hat in ihrer Heimatstadt Winsen die Ortsgruppe gegründet.

Das ist ein sehr kostspieliges Projekt. In der Zeit, in der wir uns gerade befinden, wird das Geld viel dringender an anderen Stellen benötigt. Es gäbe viel klimafreundlichere Lösungen, die Stadt vom Autoverkehr zu befreien, als eine neue Autobahn, die das Problem weiter verschärft. Sie würde dazu führen, dass noch mehr Ham­bur­ge­r*in­nen aufs Auto umsteigen würden.

Wünschen Sie sich eine Straßenbahn?

Eine Straßenbahn würde Hamburg sehr weiterhelfen. Sie ist ein klimafreundliches Transportmittel. Und der Bau wäre deutlich schneller als der Bau der U-Bahn-Linie 5. Da müssen wir zehn bis 15 Jahre warten. Bei einer Straßenbahn würden wir sofort die Veränderung sehen.

In Freiburg kostet ein Jahresparkausweis ab April 240 bis 480 Euro. Ist das Anwohnerparken mit 70 Euro pro Jahr in Hamburg zu billig?

Ich kann nichts zu den konkreten Preisen sagen. Das Autofahren muss aber unattraktiver gegenüber den klimafreundlicheren Alternativen gestaltet werden! Dafür müssen vor allem gute Alternativen geschaffen werden. Man muss auf den ÖPNV umsteigen können, vor allem auch, wenn man von außerhalb kommt.

Haben Sie den Eindruck, dass sich Fridays for Future durch die Coronapandemie verändert hat?

Ja, aber das ist nicht schlecht. Wir haben etwas sehr Großes erreicht: Trotz der Pandemie sind wir bestehen geblieben und es kommen weiterhin neue Leute dazu.

Fridays for Future in Bremen ist zuletzt wegen eines ­Retweets mit dem Aufruf „Yallah Intifada“ ins Gerede gekommen. Sehen Sie die Gefahr, dass solche Auseinandersetzungen Ihre Anliegen überlagern?

Es handelt sich um sehr, sehr wenige Ortsgruppen und Einzelpersonen, die antisemitische Aussagen tätigen. Die Ortsgruppen sind autonom. Wir möchten damit nicht in Verbindung gebracht werden. Wir sind gegen jeden Antisemitismus, und verurteilen daher auch solche Aussagen.

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