Bedarfshalte in Leipzig: Die Trams fahren durch

Die neuen Bedarfshalte in Leipziger Trams sind zum Energiesparen gut gemeint, aber nicht weit genug gedacht. Sinnvoller wären andere Reformen.

Eine Bahn mit der Aufschrift "LVB (Leipziger Verkehrsbetriebe)" fährt durch die Innenstadt von Leipzig

Vielleicht schon vorbeigerauscht: Die Leipziger Trams halten seit Januar nur noch auf Wunsch Foto: Hendrik Schmidt/Picture alliance/dpa

LEIPZIG taz | Leipzig ist Straßenbahnstadt mit Stolz. Letztes Jahr feierte sie nicht nur das 150-jährige Bestehen, sondern war 2022 auch Gastgeberin für die Tram-EM, bei der Tram­fah­re­r*in­nen aus Europa mit Bahnen Kegel umschubsten. Im Alltag bringt sie Menschen ohne echte Alternative von A nach B – eine U-Bahn zum Beispiel gibt es in Leipzig nicht.

Seit dem 2. Januar findet die Bahn aber kein Halten mehr. Zumindest nicht, wenn nicht eine mitfahrende Person Bedarf anmeldet. Mit der Einführung des Bedarfshalts nehmen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) den Leuten auch noch den allerletzten Komfort gegenüber dem Busfahren weg. Die Idee: Bedarfshalte machen den Fahrplan zuverlässiger, so die LVB.

Mit Wegfall des obligatorischen Haltens an jeder Haltestelle bleiben viele Fragen. Die Wichtigste: Wem nützt das? Sicherlich nicht den nervösen Fahrgästen, die statt auf ihr Smartphone auf den kleinen Bildschirm an der Deckenhalterung der Tram starren. Hier erscheint nämlich ein rotes „Stopp“, wenn sich jemand erbarmt hat, den Halteknopf zu drücken.

Und nein, der Abbau des automatischen Haltes führt auch nicht zu mehr Barrierefreiheit, denn die Tasten sind in vollen Bahnen schwer erreichbar. Und mit der Coronapandemie im Hinterkopf fällt einigen sicherlich schwer, den von vielen fettigen, bakterienbehafteten Fingern gedrückten Halteknopf mit Elan zu drücken. Denn fest drücken muss man ihn, damit das mit dem Halten auch wirklich klappt.

Auf dem Land okay

Wenn die Bahnen mal leer und mal voller Haltewünsche fahren, dürfte sich die Taktung des ohnehin nicht immer zuverlässigen Fahrplanes verändern. Wird dann in Zukunft an den Tafeln „16 Messegelände in etwa 5 bis 12 Minuten“ stehen?

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Ein Bedarfshalt, das ist vielleicht etwas für ländliche Gegenden wie Rachwitz, Schkeuditz, Nempitz oder Tollwitz, aber sollte in der Innenstadt nicht bei jedem Halt Bedarf bestehen? Wie sieht es außerdem mit den draußen Wartenden auf? Müssen die sich jetzt halb auf die Fahrbahn stellen (und winken?), damit die Straßenbahn nicht vorbeirauscht?

Der LVB-Pressesprecher begründet diese Reform übrigens mit der immer ziehenden Keule des Klimaschutzes, denn die meiste Energie würden die Bahnen verbrauchen, wenn sie stoppen und anfahren. Wie viel das genau sein soll, da sind sich die Verkehrsbetriebe nicht so sicher.

Und wenn die Türen öffnen, müsse in kalten Monaten zusätzlich nachgeheizt werden, erzählte ein weiterer Pressesprecher dem MDR bei Einführung des Bedarfshalts im Januar. Ein Bedarfshalt sei also eine Energiesparmaßnahme.

Reform an anderer Stelle

Vielleicht sollte die LVB an dieser Stelle mal über eine Reform nachdenken, denn die Heizung ist in den Leipziger Trams gut gemeint hochgestellt und erinnert im Winter an Saunabesuche. Die Vermutung liegt nahe, dass die LVB hier reformiert, wo es nichts zu reformieren gibt.

Vielleicht will sie damit auch nur darüber hinwegtäuschen, dass es an anderer Stelle nicht so glatt läuft: Beispielsweise musste ein für 2023 geplantes Bauprojekt für einen Ausbau in der Landsberger Straße im abgehängten Norden der Stadt verschoben werden. Kein Geld da und kein Bauunternehmen hat den Auftrag angenommen.

Die LVB sollte sich also überlegen, ob sie in nächster Zeit nicht wieder ein wenig geben anstatt nehmen muss: Neue Linien und ein enger getakteter Fahrplan wären da schon mal ein Anfang.

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