Nach rassistischer Attacke auf Frauen: Geldstrafe für AfD-Politiker

Kai Borrmann wurde wegen Beleidigung und einer Beißattacke verurteilt. Er ist Partner der Soziologin Koppetsch, die als AfD-Erklärerin gilt.

Zwei Männer sitzen an einem Tisch, der Rechte grinst

Stand wegen rassistischer Beleidigung und Angriff vor Gericht: AfD-Politiker Kai Borrmann Foto: Marion van der Kraats/dpa

BERLIN taz | Der AfD-Kommunalpolitiker Kai Borrmann entschuldigte sich nicht. Dem Angeklagten steht in einem Gerichtsverfahren das letzte Wort vor dem Urteil zu, aber der 56-Jährige nutzte die Gelegenheit nicht, um Reue zu zeigen oder um Vergebung zu bitten – obwohl er davor sogar ein Teilgeständnis abgelegt hatte. Am Dienstag hatte er am dritten Prozesstag am Amtsgericht Tiergarten unter erdrückender Beweislast schließlich zugegeben, dass er sein Opfer im August 2021 beleidigt habe. Anlass für eine Entschuldigung war das für ihn aber noch immer nicht.

Stattdessen hielt Borrmann einen schier endlosen Vortrag, in dem er sich selbst als Opfer inszenierte und die Einlassung der Nebenklage „unfair“ nannte, die ihm mangelnde Reue attestierte und im Plädoyer eine Freiheitsstrafe gefordert hatte. Borrmann, 56-jähriger Bezirksverordneter in Berlin-Mitte, beklagte, dass der Prozess auch für ihn belastend gewesen sei, und holte dann in AfD-Manier zum Rundumschlag gegen die Presse aus.

Borrmann sagte: „Das ist wirklich niederträchtig, was die Medien hier treiben.“ Sie hätten seine Lebensgefährtin, die bekannte Soziologin Cornelia Koppetsch, in den Fall mit hineingezogen. Und die müsse sich ohnehin schon mit Plagiatsvorwürfen herumschlagen; der Prozess und die Öffentlichkeit belaste auch sein privates Verhältnis zu seiner Partnerin. Dass letztlich sein eigenes übergriffiges Verhalten zum Prozess geführt hatte, ließ Borrmann unter den Tisch fallen. Und behauptete stattdessen, dass er kein aggressiver Rassist sei.

Das Gericht sah das Gegenteil als erwiesen an: Die Richterin verurteilte Kai Borrmann zu 180 Tagessätzen à 60 Euro wegen rassistischer Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung. Borrmann muss die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin tragen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Borrmann sich bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch mit seiner Partnerin in das Gespräch am Nebentisch einmischte. Dabei habe er der jüngeren Gruppe nebenan erklären wollen, wer schwarz sei und wer nicht, und habe darauf bestanden, das N-Wort zu sagen.

Nebenklägerin bricht in Tränen aus

In der folgenden Auseinandersetzung beschimpfte er vor allem die Musikjournalistin Steph Karl und ihre Freundin mehrfach mit dem N-Wort – auch nachdem diese fluchtartig das Lokal verlassen hatten. Borrmann beschimpfte sie danach auf der Straße weiter. Selbst nachdem Karl in Tränen ausgebrochen war, rief er: „N****! Heult doch, ihr N****“, und kam mit seinem Gesicht ganz dicht an die Betroffene, um das N-Wort zu wiederholen, wie die Richterin schilderte. Daraufhin habe Karl sich Platz mit den Armen verschaffen wollen, wobei Borrmanns Hut auf die Straße gefallen sei.

Dann habe Borrmann zugeschlagen und Karl in den Schwitzkasten genommen, woraufhin Karls Freundin eingegriffen und beide zu Boden gebracht habe. Im folgenden Ringen am Boden habe Karl wiederum Borrmann in den Schwitzkasten genommen. Daraufhin habe dieser kräftig in ihren Oberarm gebissen.

Die Wunde von Karl verheilte erst Monate danach, sei ein Jahr lang sichtbar gewesen. Sie habe danach unter Flashbacks gelitten, sich nicht mehr vor die Tür getraut, Schlafstörungen und Angst gehabt. Als die Richterin den Tathergang und das N-Wort wiederholte, brach Karl in Tränen aus.

Zu Borrmann direkt sagte die Richterin: „Sie wollten sie kränken, herabwürdigen“ und legte ihm nahe, über das Urteil zu reflektieren und sich mit seinem Vergehen auseinander zu setzen. Borrmann muss insgesamt 10.800 Euro zahlen und ist damit vorbestraft. Alle Beteiligten können gegen das Urteil binnen einer Woche Berufung und Revision einlegen.

Berühmte Soziologin Koppetsch wenig glaubwürdig

Das Gericht stützte sich in der Darstellung des Tathergangs auf mehrere glaubwürdige Zeugenaussagen auch Unbeteiligter. Als wenig glaubhaft eingestuft hat sie hingegen die Aussage von Borrmanns Partnerin Koppetsch. Ihre entlastenden Aussagen seien lückenhaft, unergiebig und „in Teilen fragwürdig“ gewesen. Koppetsch hatte ausgesagt, dass Borrmann lediglich das N-Wort benutzt habe, um einen „abstrakten akademischen Diskurs“ über Hautfarben zu führen, habe dann die weitere Auseinandersetzung nicht mehr mitbekommen, weil sie mit dem Fahrrad vorgefahren sei. Ihre schuldumkehrende „Theorie“ sei es, dass seine erwähnte AfD-Mitgliedschaft zur Aggression geführt habe.

Im politischen Feuilleton galt die Soziologin Koppetsch bisher als so etwas wie eine Rechtspopulismus-Versteherin. Erst im Zuge des Prozesses gegen Borrmann ist öffentlich geworden, dass die 55-jährige Soziologin von der TU Darmstadt mit einem AfD-Politiker liiert ist. Insbesondere deswegen wirft das Urteil nicht nur im politischen Feuilleton und der Soziologie nun die Frage auf, inwiefern Koppetschs „Konzept“ der „theoriegeleiteten Empirie“ und ihren Darstellungen nicht vielmehr auch ein inhaltliches Einverständnis, Apologetik und zu große Nähe innewohnt. Mit Plagiatsvorwürfen schlägt sich die Wissenschaftlerin überdies schon länger herum.

Darüber hinaus wirft der Prozess aber auch ein Schlaglicht auf die medial weitgehend unkritische Verbreitung von Koppetschs Positionen und ihrer viel gefeierten Schriften. Rückblickend vielsagend ist auch eine Danksagung in ihrem viel gelobten Buch „Die Gesellschaft des Zorns“. Darin bedankte sich Koppetsch gar ausdrücklich bei ihrem „Lebensgefährten Kai“, der „den Stoff immer wieder mit mir diskutiert und weiterentwickelt“ habe. Weniger dankbar dürfte Koppetsch ihrem Mann nun wiederum für die mit dem Prozess verbundene Aufmerksamkeit sein. Eine seltsame Koinzidenz ist dabei wohl, dass das Urteil auf den Valentinstag fiel.

„Ich muss erst mal klarkommen“

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung gefordert, die Nebenklägerin Karl eine einjährige Freiheitsstrafe. Ob sie Berufung oder Revision einlegen werden, sei noch unklar, sagte die Verteidigung nach dem Urteil.

Das Opfer von Borrmann wiederum war nach der Urteilsverkündung froh, dass der Prozess endlich vorbei war. Nicht nur aufgrund der Tränen war der Nebenklägerin Karl anzusehen, dass ihr der Prozess schwerfiel. Danach wirkte sie erleichtert und umarmte Freund*innen, die sie zu Gericht begleitet hatten. Sie habe sich das alles angetan, damit Borrmann vorbestraft sei und niemand anderes jemals wieder so etwas von ihm erleben müsse, sagte Karl.

Sie hätte sich zwar eine höhere Strafe gewünscht, aber sei immerhin froh, dass Borrmann nun vorbestraft sei – was sich erschwerend auswirke, wenn er zum Wiederholungstäter werde. „Ich muss erstmal alles sacken lassen und klarkommen psychologisch“, sagte Karl, „ich bin froh, dass ich ihn nicht mehr sehen muss.“

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