Gute Laune auf grüner Zitterpartie

Trotz des Sieges der CDU ist die Stimmung auf der Wahlparty der Grünen optimistisch. Man hofft auf den Vorsprung zur SPD – und die Weiterführung der Koalition

Gute Stimmung auf der Wahlparty der Grünen in der Heinrich-Böll-Stiftung   Foto: Jens Gyarmaty

Von Claudius Prößer

Nicht nur die Abgeordnetenhauswahl wurde an diesem Sonntag wiederholt – im Prinzip gab es auch eine Neuauflage der Zitterpartie bei den Hochrechnungen vom September 2021. Damals hatte es für ungefähr eine Stunde so ausgesehen, als habe Bettina Jarasch für die Grünen den ersten Platz holen können. Diesmal gibt es zwar einen fundamentalen Unterschied – die CDU ist an allen vorbeigezogen –, aber ob die Grünen oder die SPD die Nase vorn haben, ist nach den ersten Hochrechnungen am Sonntagabend noch völlig offen.

Trotzdem ist die Stimmung im brechend vollen Saal der Heinrich-Böll-Stiftung in Mitte ausgezeichnet: Als um 18 Uhr die ersten Zahlen über die TV-Projektionen an den Wänden laufen, die die Grünen ganz knapp vor der SPD platzieren, gibt es ohrenbetäubendes Gejohle: „Vor der SPD! Vor der SPD!“, schreit eine Frau von der Grünen Jugend und hüpft dabei vor Freude auf und ab. Kurz darauf der nächste Freudenschrei: „Die FDP ist raus! Die FDP ist raus!“

Bei der zweiten Hochrechnung um kurz vor 19 Uhr liegen die Grünen immer noch um Haaresbreite vorne, der Beifall fällt aber schon etwas nüchterner aus. In der Zwischenzeit hat die grüne Bundeschefin Ricarda Lang von der Bühne herab die Berliner Parteimitglieder in den höchsten Tönen gelobt: „Bei einem Scheißwetter habt ihr einen starken Wahlkampf gemacht, danke dafür!“ Merkwürdigerweise kommt niemand auf die Idee, Bettina Jarasch lautzuschalten, die in diesem Augenblick an der Wand zusammen mit CDU-Chef Kai Wegner ihr erstes Fernsehinterview gibt.

Jarasch trägt dabei eine grüne Lederjacke über einer schwarzen Bluse, symbolischer geht es eigentlich nicht. Ob sie sich im Falle von Platz 2 nach der CDU nicht auch eine Koalition mit Wegners Partei vorstellen könnte, wird sie gefragt, das sei ja immerhin einfacher als ein Dreierbündnis. Die Kandidatin antwortet, man werde in diesem Fall das tun, was man auch im Wahlkampf stets angekündigt habe: „Wir wollen die aktuelle Konstellation weiterführen und werden deshalb mit der SPD und den Linken in Gespräche gehen.“

Auf den Gesichtern des grünen Politikpersonals in der Böll-Stiftung ist derweil immer noch eine Menge Skepsis zu erkennen. „Alles gut?“, fragt eine Besucherin der Wahlparty im Vorbeigehen die Abgeordnete Catherina Pieroth. „Wiss’ ma noch nich“, lautet deren lakonische Antwort. Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, weiß zwar auch noch nicht, ob am Ende alles gut wird, freut sich aber über das – objektiv betrachtet – ausgezeichnete Wahlergebnis und plädiert für ein Weiter-so: „Berlin hat für eine progressive Regierung gestimmt, die Klimaschutz und Mieterschutz in den Mittelpunkt stellt.“