Urteil zur AfD-nahen Erasmus-Stiftung: Millionen für rechte Denkfabrik?

Am Mittwoch urteilt das Verfassungsgericht über die Stiftungsfinanzierung. Die AfD klagt gegen ihren Ausschluss.

Als Erika Steinbach und Hoecke Maskiert schneißen 2 Figuren Geldscheine aus einer Kiste

Foto: Michael Peter Kuenne/ddp

BERLIN taz | Fünf Jahre lang verhallten die Warnrufe: Erst saß die rot-schwarze Bundesregierung das Problem aus, dann die Ampel. Am Mittwoch soll nun vor dem Bundesverfassungsgericht das Urteil im Streit über die Fördermittel der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) fallen – möglicherweise mit einem guten Ende für die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte AfD.

Das jedenfalls befürchten die Bildungsstätte Anne Frank und der Kampagnenverein Campact. Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte, kritisierte bei einem Pressegespräch am Montag die Untätigkeit der Regierungen seit 2018. Im schlimmsten Fall stehe zu befürchten, dass die AfD-Stiftung der Vorsitzenden Erika Steinbach sofort Gelder zugesprochen bekomme, so Mendel: „Es wäre eine Katastrophe für das Gemeinwesen, wenn die Demokratie ihre eigenen Feinde finanziert.“

Es geht um rund 70 Millionen Euro pro Legislaturperiode. Die AfD-Stiftung wurde bislang per Vermerk im Haushaltsgesetz ausgeschlossen, allerdings ohne richtige Gesetzesgrundlage, weil ein transparentes Stiftungsgesetz seit Jahrzehnten fehlt. Nach bisheriger Praxis steht der AfD-Stiftung ein Anspruch auf Förderung mit dem Wiedereinzug in den Bundestag zu. Zusammen mit der Bildungsstätte und Campact hatten unter anderem auch Kirchen und Gewerkschaften eine Gesetzesgrundlage für die Finanzierung politischer Stiftungen gefordert, die die AfD ausschließt.

Mendel befürchtet, dass durch Stipendienprogramme der DES rechtsextreme Kader ausgebildet werden, die langfristig Justiz, Medien, Bildungseinrichtungen und Politik „stürmen“ werden. „Ich sehe zahlreiche neue Höckes kommen“, sagte Mendel und verwies auf die engen Verflechtungen der Stiftung mit rechtsextremen Organisationen wie dem „Institut für Staatspolitik“. „Die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach hat die Hetze gegen Walter Lübcke kurz vor seiner Ermordung durch einen Neonazi angeheizt“, sagte Mendel und verwies darauf, dass sie auch seine Privatadresse in den sozialen Medien veröffentlichte: „Sie agiert selbst wie ein rechtsextremer Troll.“

Kritik an der Bundesregierung

Mendel kritisierte die Ampelfraktionen, Warnungen der Zivilgesellschaft und den eigenen Koalitionsvertrag ignoriert zu haben. Insbesondere bei der SPD sei man mit Gesprächsanfragen immer wieder ins Leere gelaufen, so Mendel. Er erwarte von Karlsruhe ein Signal an die Bundesregierung, dass diese die Forderung nach einem Stiftungsgesetz nicht länger aussitzen kann.

Ähnlich ordnete es auch Miriam Schrader von Campact ein. Man gehe davon aus, dass ohne Gesetz politische Stiftungen „die Ungleichbehandlung nicht verfassungskonform ist und der DES das Geld zusteht“. Das sei einerseits eine Katastrophe, weil es ein politischer Erfolg für die AfD sei, andererseits steige damit der Druck für eine rechtliche Grundlage.

Es gab bereits mehrere Vorschläge für ein mögliches Stiftungsgesetz, die bislang im politischen Raum verhallten. So hatte der Grünenpolitiker Volker Beck ein Gesetz vorgeschlagen, das eine Förderung an die Einhaltung der freiheitlich-demokratische Grundordnung und einen Demokratie-TÜV knüpft. Campact hatte vor einigen Monaten einen weiteren Gesetzesvorschlag mithilfe des Kölner Verfassungsrechtlers Mar­kus Ogo­rek gemacht, der die Kriterien um ein aktives Eintreten für Menschenrechte erweiterte. Dazu zählt für Campact auch ein Bekenntnis zu Religionsfreiheit und einer multiethnischen Staatsangehörigkeit. Das dürfe nicht nur ein Lippenbekenntnis in der Satzung, sondern müsse durch externe Prüfungen gesichert sein, wie etwa ein Stiftungsregister, über das die Bundestagspräsidentin wachen solle.

Ebenso forderte Campact für politische Stiftungen Transparenz. Derzeit verschweigt die DES etwa die personelle Zusammensetzung ihres Kuratoriums, das bislang unter dem Vorsitz von Karlheinz Weißmann agierte. Weißmann ist nicht nur geistiger, sondern auch tatsächlicher Schüler des neurechten Armin Mohler, der mit seinem wissenschaftlich unhaltbaren Theoriegebäude der „Konservativen Revolution“ der “Geisteswelt des Faschismus“ im Nachkriegsdeutschland ein ideologisches Refugium schuf. Die Auswüchse von Mohlers Schaffen wirken über Schnellroda und Höcke bis heute in die AfD und über Figuren wie Weißmann auch in die Erasmus-Stiftung.

Andere Stimmen in der Debatten befürchten hingegen, dass eine staatliche Finanzierung der AfD-Stiftung nicht zu verhindern sei, und plädieren wie der Politikwissenschaftler Claus Leggewie für den politisch-argumentativen Umgang mit der „Neuen Rechten“ und mehr Demokratieförderung.

Der Justitiar der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, teilte auf taz-Anfrage „Zweifel an der Verfassungstreue“ der DES: „Es darf keine Steuergelder für Demokratiefeinde geben“, so Fechner. Ob man das über ein Stiftungsgesetz regeln könne, werde das Gericht entscheiden – „wir werden das Urteil abwarten und zügig koalitionsintern beraten“. Fünf Jahre waren offenbar zu kurz.

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