Equal-Pay-Urteil: Billigste Ausrede gilt nicht mehr

Dank des Urteils kann ein Arbeitgeber Ungleichbezahlung nicht mehr mit „Verhandlungsgeschick“ des Mannes rechtfertigen. Ein Schlupfloch ist gestopft.

Luftballon auf Straßenpflaster

Wird hoffentlich bald nicht mehr gebraucht: Luftballon zur Aktion Equal Pay Day Foto: Christian Ditsch

Ein wichtiges Schlupfloch für Arbeitgeber, die versuchen, sich aus dem europarechtlichen Gebot „gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“ herauszuwinden, ist mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts endlich gestopft worden. Lohnunterschiede im Unternehmen zu erfragen, infrage zu stellen, im Zweifel aber auch dagegen zu klagen, lohnt sich mehr denn je. Vor allem bedeutet das Urteil: Frauen dürfen nicht länger unter Vorteilen der Männer in Gehaltsverhandlungen leiden.

Die Klägerin, eine Mitarbeiterin eines sächsischen Metallunternehmens, verdiente erheblich weniger als ihr männlicher Kollege. Zwar war beiden zunächst 3.500 Euro Gehalt bei Einstellung angeboten worden, der Mann hatte sich jedoch geweigert, für dieses Geld zu arbeiten – daraufhin gestand das Unternehmen ihm 4.500 Euro Gehalt zu. Das Unternehmen, das sich von seinem Arbeitgeberverband vertreten ließ, führte „Verhandlungsgeschick“ an, um den Gehaltsunterschied zu rechtfertigen. Die ersten zwei Instanzen trugen diese Auffassung noch mit. Das Bundesarbeitsgericht hingegen schloss sich der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“, die die Klägerin in der Revision unterstützte, an und erteilte dieser Argumentation eine klare Absage.

Was der Klägerin in die Karten gespielt haben dürfte, ist, dass die Beklagten kaum Substanzielles vortrugen. In einem Rechtsstaat erwarte er ein ordentliches Urteil und habe kein Interesse an einem Vergleich, ließ der Geschäftsführer wissen. „Selbstverständlich“ sei es legitim, beim Einstellungsgespräch eine spätere Gehaltssteigerung nur für den männlichen Mitarbeiter zu vereinbaren, trug der Vertreter des Arbeitgeberverbands vor. Ausdrücke wie „selbstverständlich“ hört man im juristischen Betrieb oft an genau der Stelle, an der sonst ein inhaltliches Argument stehen müsste.

Der Weg ist dornig

An der Entscheidung zeigt sich: Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass eine Lohndiskriminierung ein absichtlicher und offenkundiger Verstoß sein muss. Es gilt die Vermutung, dass bei einem Gehaltsgefälle für gleiche Arbeit eine Diskriminierung vorliegt, die der Arbeitgeber durch objektive Gründe widerlegen muss. Der Weg zu „Equal Pay“ ist dornig, aber mit der billigsten Ausrede für Arbeitgeber ist es mit diesem Urteil vorbei.

Es nimmt zudem vorweg, was allen Mitgliedstaaten der EU mittelfristig ohnehin blüht. Eine nahende EU-Richtlinie wird Deutschland dazu zwingen, Equal-Pay-Gesetze mit Sanktionen, individuellen Auskunftsansprüchen und strengeren Rechtfertigungskriterien zu erlassen. Dass die Ampelregierung sich im Verfahren dazu ihrer Stimme enthalten hatte, ist ohnehin eigentlich skandalös.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.