Hamburg verschärft Klimaschutzgesetz: Mehr Weltrettung – aber nicht genug

Der rot-grüne Hamburger Senat verschärft sein Klimaschutzgesetz. Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um 70 Prozent sinken. Senator für CO2-Speicherung.

Demonstration von Fridays for Future

Der Druck ist da: Demonstration von Fridays for Future in Hamburg 2019 Foto: Georg Wendt/dpa

HAMBURG taz | Um der drohenden Klimakatastrophe zu begegnen, hat der rot-grüne Hamburger Senat sein Klimaschutzgesetz noch einmal verschärft. Bis 2030 will er den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 70 Prozent drücken, wie es ein Gesetzentwurf vorsieht, den Umweltsenator Jens Kerstan am Dienstag vorstellte. Im Jahr 2020 betrug die Verringerung erst knapp 35 Prozent. 2045 – fünf Jahre früher als bisher – soll die Stadt vollends klimaneutral sein.

„Die Klimakrise geht schneller und heftiger vonstatten, als wir erwartet haben“, sagte Kerstan und verwies dabei auf Hitzetage, Wolkenbrüche und Trockenperioden. Auch die mit dem Klimawandel verbundenen Anpassungskosten stiegen, etwa beim Deichschutz.

Zugleich sei die Stadt ganz anders in der Pflicht als früher. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht den Klimaschutz vor knapp zwei Jahren in einem Beschluss zum Staatsziel erklärt. Zum anderen hat die Staatengemeinschaft auf dem Weltklimagipfel 2015 in Paris beschlossen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Kerstan warnte aber, dass dieses Ziel auch mit Maßnahmen, wie sie von Hamburg geplant würden, nicht zu erreichen sei. „Wir werden wohl CO2 aus der Atmosphäre entnehmen müssen“, sagte der Senator.

Um sein Reduktionsziel zu erreichen, hat der Senat in einer Reihe von Bereichen die Ziele höher gesteckt, wobei er bisweilen das Fordern mit dem Fördern kombiniert. Wer etwa seine Heizung erneuert, muss dabei einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbarer Energie einbauen – bisher waren es 15 Prozent. Die Regel gilt verpflichtend; wer sich vorher entscheidet, bekommt ab 2024 eine Förderung.

Vorteile für die Wirtschaft

Das Gleiche gilt für die Dachbegrünung, wo 70 Prozent der Fläche bepflanzt werden sollen. Die Begrünung wird kombiniert mit einer Solardachpflicht ab 2024 für 30 Prozent der Dachfläche. Besonders vorteilhaft ist die Kombination von Photovoltaik und Begrünungen auf flach geneigten Dächern, weil der kühlende Effekt der Vegetation die Solaranlage effizienter macht. All das gilt nur im Neubau oder wenn Dächer komplett saniert werden. Für den, der sich das nicht leisten kann, soll eine Lösung gefunden werden.

Etwas unschärfer ist der Schutz vor der zukünftig vermehrt zu erwartenden Sommerhitze gestaltet. Hier soll der passive Schutz durch Dämmung, Bepflanzung oder Rolläden Vorrang vor Klimaanlagen haben. Ausnahmen sind etwa für Krankenhäuser und Pflegeheime vorgesehen. Außerdem verspricht der Senat, er wolle beim eigenen Gebäudebestand nun endlich seiner Vorbildfunktion gerecht werden.

Im Gesetzentwurf des Senats findet sich auch die Planungsbeschleunigung. So sind Bereiche „vorrangigen öffentlichen Interesses“ definiert, bei denen der Bau erleichtert werden soll. Das gilt für Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energie für das Strom- und das künftige Wasserstoffnetz ebenso wie die Lade­infrastruktur für Elektroautos.

Kerstan versprach, dass das Gesetz auch für die Wirtschaft vorteilhaft sein werde. „Wir gehen davon aus, dass es sich durch die Maßnahmen lohnen wird, in Deutschland zu investieren, insbesondere beim Wasserstoff“, sagte der Senator. Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, weil damit die schwankende Erneuerbare Energie gespeichert werden kann.

Kritik kam von Umweltverbänden. „Das Wort ‚Natur‘ kommt im Entwurf des Klimaschutzgesetzes nicht ein einziges Mal vor“, kommentierte Malte Siegert vom Naturschutzbund (Nabu). Der Senat unterschätze die Möglichkeiten der Renaturierung und des Schutzes natürlicher Flächen. Dazu gehörten Moore, Wiesen, Blühstreifen und Bäume. Senator Kerstan verwies dafür auf den Klimaplan des Senats mit den darin vorgesehenen Parks.

Der BUND kritisierte das geplante Monitoring. Alle zwei Jahre zu prüfen, wie weit die Stadt mit dem CO2-Sparen vorangekommen ist, sei zu wenig. „Dies ist für den BUND deutlich zu weitmaschig“, sagte der Landesgeschäftsführer Lucas Schäfer. Darüber hinaus solle das Gesetz einen „CO2-Schattenpreis“ vorsehen, der den Kohlendioxidausstoß über den gesamten Lebenszyklus einer Investition erfasst. Würde das mitbilanziert, schüfe das einen Anreiz, klimaschonendere Verfahren anzuwenden.

Um dem Gesetz Zähne zu verleihen, fordert der BUND eine Klagemöglichkeiten für Bürger und Umweltverbände zu schaffen, so wie es beim Naturschutz bereits der Fall ist.

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