Erdbebenhilfe in der Türkei: Wo war der AKP-Staat?

Teile meiner Familie starben im kurdischen Adiyaman. Nach der Trauer kommt die Wut: Die Hilfsstrukturen des AKP-Zentralstaats haben versagt.

Ein Mann läuft mit einem Sack voller Habseligkeiten über Erdbebentrümmer

Ein Mann in Antakya rettet ein paar Habseligkeiten aus den Trümmern Foto: Shadati/XinHua/dpa

Es ist Tag eins und ich sehe die Hilfeschreie meiner Cousine in ihrer Insta-Story: „Bitte helft! Mein Bruder, meine Tante, meine Nichte und mein Neffe liegen unter den Trümmern!“ Sie gibt die Adresse an, doch vergeblich. Zwei Tage später telefoniere ich mit meiner Großtante. Sie betont, dass es an professionellen Bergungsteams fehlt. Sie hat Angst darum, dass Überlebende unter den Trümmern, durch ungeschulte helfende Hände, durch Fehlgriffe des eigens organisierten Baggers, ums Leben kommen. Ihre ältere Schwester und Familie liegen unter den Trümmern. Auch heute noch, sechs Tage später.

Nachdem mein Cousin und seine Familie erst am Mittwoch und Donnerstag tot geborgen wurden, hatte ich nicht mehr die Kraft, öffentlich politisch zu sein. Ich trauere mit meinen Tanten und Onkeln, meiner Oma, meinen Cousinen und Cousins. Ich trauere auch darüber, dass Adiyaman nicht mehr ist. Die Stadt, in der ich viele Sommerferien als Kind und Jugendlicher verbrachte.

Das Erdbeben in der Türkei und in Syrien ist auf den Tag genau eine Woche her. Wir müssen wieder anfangen, über das Politische zu reden, bevor diese Wahrheiten in den kommenden Wochen überschrieben werden. Der türkische Staat war nicht da, als er in Adiyaman gerufen wurde. Der staatliche Katastrophenschutz Afad kam tagelang nicht mit professionellen Bergungsteams und -geräten. All das organisierten Angehörige eigenständig. Adiyaman war spätestens am Montagabend die vergessene Stadt. Dabei ist das mittelgroße kurdische Adiyaman, in der viele Aleviten leben, seit Gründung der AKP eine ihrer Hochburgen. Sämtliche Katastrophenschutzorganisationen sind fest in der Hand des türkischen Innenministeriums – das seit über 20 Jahren von der AKP geführt wird.

Diese Strukturen haben auch versagt, weil die AKP, die den Staat ausmacht, den Bezug zur Zivilgesellschaft verloren hat. Dass heute immer noch Zelte mit Heizstrahlern und mobile Suppenküchen fehlen, ist nichts anderes als eine Krise des türkischen Zentralstaats, der fest in AKP-Hand ist.

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