Verschmutzter Fluss Drina: Müllberge im Wasser

Zwischen Montenegro, Serbien und Bosnien ist der Fluss Drina durch Abfälle massiv verschmutzt. Eine Strategie dagegen? Fehlt bislang.

Ein von Müll bedeckter Fluss

Smaragdgrün und voller Unrat: die Drina im Osten Bosniens Foto: Armin Durgut/ap

SPLIT taz | Was sich in den letzten Tagen und Wochen an der Drina abgespielt hat, ist eigentlich nicht mehr zu fassen. Berge von Müll wälzen sich einen der landschaftlich schönsten und geschichtsträchtigsten Flüsse Europas herunter. Wenn rostige Fässer, Altreifen, Treibholz, Kühlschränke und Zehntausende von Plastikflaschen kilometerweit das eigentlich smaragdgrün schimmernde Wasser des Flusses bedecken, dann müsste doch den Menschen in der Region der Kragen platzen.

Tut es aber offensichtlich nicht. Nur einige wenige Umweltaktivisten schlagen Alarm. Das ökologische Desaster wird ansonsten klaglos hingenommen. Man zuckt mit den Achseln. Was sollen wir denn tun, heißt das wohl.

Der immerhin 346 Kilometer lange Fluss entspringt in den schwarzen Bergen Montenegros, führt über den Süden von Bosnien und Herzegowina nach Serbien, wo er schließlich in der Sava und damit in der Donau bei Belgrad mündet. Die Montenegriner schmeißen ihren Müll in die Nebenflüsse, obwohl sie sich selbst dabei schädigen, also einen Teil ihrer Existenz gefährden.

Mülldeponien sind viel zu klein

Denn Zehntausende von Touristen haben den wunderbaren Tarafluss, einen Nebenfluss der Drina, und dessen Schluchten und Wasserfälle im Sommer für Wildwasser-Rafting-Touren entdeckt. Die Touristen streben aber keineswegs danach, ihre Paddeltrips im Müll enden zu lassen. Auch in Bosnien mündet der Haus- und Industriemüll größtenteils im Fluss, die noch aus der sozialistischen jugoslawischen Zeit stammenden Mülldeponien sind viel zu klein.

Vor mehr als 30 Jahren gab es aber noch keinen Plastikmüll. Die nationalistischen Verwaltungen sind also heillos damit überfordert, Abhilfe zu schaffen – und wollen das offenbar auch gar nicht. Denn das Drinatal gehört größtenteils zur Republika Srpska, dem serbisch dominierten Teil Bosnien und Herzegowinas. Er wird von rabiaten Nationalisten beherrscht, die zu offenbar keiner rationalen Diskussion fähig sind. Neun Gemeinden gehören zur serbischen Teilrepublik, Goražde zur bosniakisch-kroatischen Föderation.

Bisher ist es den Gemeinden nicht gelungen, eine gemeinsame Strategie gegen den Müll zu entwickeln. Als vor dreizehn Jahren moderate Politiker wie der damalige serbische Bürgermeister von Foča, Zdravko Krsmanović, und sein bosniakischer Kollege Muhamed Ramović in Goražde, ein gemeinsames Konzept für die Region entwickelten und die Finanzierung eines Müllbeseitigungskonzepts für die gesamte Region vorlegten, wurden sie von dem Präsidenten des serbischen Teilstaates, Milorad Dodik, auf das Heftigste bekämpft.

Damit gingen der Region Investitionen von 80 Millionen Euro, die von der EU, der Weltbank und anderen Institutionen zugesagt waren, verloren. Wäre das Konzept damals angenommen worden, hätte man heute weniger Probleme mit dem Müll. Der schon in Bosnien mächtige Fluss hat sich tief in das Gebirge eingegraben. Das fruchtbare Flusstal mit seinem milden Klima bildet mit den Städtchen Foča, Goražde und Višegrad laut internationalen Tourismusunternehmen eine reizvolle Landschaft, die „großes touristisches Potenzial“ besitzt.

Vermülltes „nationales Denkmal“

Denn das Kernstück der Sehenswürdigkeiten ist die von den Osmanen erbaute berühmte Brücke über die Drina. Pasha Mehmed Sokolović, selbst aus der Region stammend, hat diese Brücke ab 1571 errichten lassen. Sie ist so stabil gebaut, dass sie bis heute alle Überschwemmungen, Hochwasser, Erdbeben und auch Kriege unbeschadet überstanden hat. Und offenbar auch in der Lage ist, die Müllmassen durch ihre Pfeiler zu schleusen. Vielleicht dämmert es der serbischen Seite, dass sie mit ihrer Müllpolitik gescheitert ist.

Denn serbische Nationalisten haben die Geschichte der Brücke und den bosnischen Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić mit seinem Roman „Die Brücke über die Drina“ für sich vereinnahmt und sogar einen neuen Stadteil, Adrićgrad, gebaut. Ein vermülltes „nationales Denkmal“ macht sich da nicht so gut.

Immerhin: Vielleicht ist das ja der Grund, warum es am Montag gelungen ist, Verhandlungen zwischen Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Serbien einzuleiten.

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