Holzstapel vor einem lichten Wald

Stapelware: geschlagen Fichten, bereitgelegt für den Abtransport Foto: Michael Schick/imago

Holz als Energieträger:Hoffen auf den Wald

Mit der Energiekrise geht der Blick sehnsuchtsvoll Richtung Wald. Da wächst doch ein Energieträger. Wenn die Sache mit dem Brennholz nur so einfach wäre.

Ein Artikel von

14.2.2023, 16:04  Uhr

Die Deutschen und ihr Wald. Ein Thema, bei dem ganz, ganz viele Emotionen mitschwingen. „Wenn du ein tiefes Leid erfahren/Tief schmerzlich, unergründlich bang/Dann flüchte aus der Menschen Scharen/Zum Walde richte deinen Gang“, empfiehlt der Arzt und Dichter Ludwig August Frankl (1810-1894). Der Wald ist Trost, Zufluchtsort und in der deutschen Geschichte immer wieder Stoffspender für nationale Mythen, auch ganz fürchterliche. Vom Fällen der Baumstämme ist dabei ausdrücklich nie die Rede.

Dafür hat inzwischen sogar die russische Propaganda dieses Thema für sich entdeckt. Vergangenen November lancierte sie die Meldung in den medialen Raum, wonach die in bitterer Kälte darbende Berliner Bevölkerung bereits Hand an den Stadtpark Tiergarten lege, um ihn zu verfeuern.

Blanker Unsinn wieder mal. Zumal gutes Brennholz mindestens zwei Jahre lagern muss, um gut auszutrocknen, wie jeder Freizeitheizer mit Kaminofen-Expertise weiß. Besuch bei Gewährsmann Michael Mayr, Vollbart, verschmitzes Lächeln, verschmutzer Dienstwagen mit Waldbodenspritzern rundherum. Er ist Revierleiter in der Marktgemeinde Pfaffenhofen an der Roth in Bayrisch-Schwaben. Die Gegend ist waldreich, etwa ein Drittel der Waldflächen gehören privaten Besitzern. Mehr als 1.000 von ihnen steht er beratend zur Seite und ebenfalls fünf Gemeinden mit ihren Kommunalwäldern. Insgesamt ist er für 3.800 Hektar zuständig. Zwei Hektar beträgt die durchschnittliche Größe im Privatwald.

Das Brennholz, das aus Mayrs Beritt in den Verkauf kommt, reißen sie ihm derzeit förmlich aus der Hand. In den Wintermonaten, wenn die Bäume weniger Wasser führen, ist Hochsaison bei Waldarbeiten. Statt lieblichen Vogelstimmen hören Spaziergänger, die Erholung und Erbauung suchen, dann den grellen Aufschrei der Kettensägen und das Prasseln fallender Bäume.

Die Leute, sagt Revierleiter Mayr, seien erneut im Hamstermodus: „Brennholz ist das neue Klopapier“

Mit Beginn der Saison stand bei Mayr zeitweilig das Telefon nicht mehr still vor lauter Anfragen nach Brennholz. Mancher Private orderte unversehens die dreifache Menge. Anfragen von gewerblichen Interessenten trudelten ein, die weit außerhalb des üblichen Kundenradius ansässig sind. Die Leute, sagt Mayr, seien erneut im Hamstermodus wie in besten Coronazeiten: „Brennholz ist das neue Klopapier.“

Ein Verlust an Brennwert

Horten aber sei gar nicht so sinnvoll. „Holz hat zwar kein Haltbarkeitsdatum, aber es hält auch nicht ewig“. Nach ein paar Jahren, so Mayr, verliere es stark an Brennwert.

Eine zehnminütige Autofahrt oder acht Kilometer Luftlinie entfernt findet sich der nächste Stützpunkt der Waldbetreuung. Der Forstbetrieb Weißenhorn, zum staatlichen Unternehmen der Bayerischen Staatsforsten gehörend, residiert in einem historischen Forsthaus aus den 1920er Jahren am Rande der Altstadt. Ihm unterstehen die über 14.500 Hektar Staatswald in der Umgebung, was grob gerechnet mindestens ebenso vielen Fußballfeldern entspricht. Hier empfangen Forstbetriebsleiter Martin Eggert und sein Stellvertreter Christoph Kohler zum Gespräch.

Energiekrise? Aus Anlass des russischen Überfalls auf die U-kraine? Ganz weit weg, und doch ganz nah. Denn in Folge setzte auch bei ihnen ein bislang unbekannter Run auf die Holzscheite ein.

Unser Wald

Was für Wälder gibt es eigentlich? Sie lassen sich nach ganz unterschiedlichen Kategorien einteilen, zum Beispiel nach den Klimazonen, in denen sie natürlicherweise wachsen. Oder eben auch nach den Besitzverhältnissen. Und die kann man unseren Wäldern unter Umständen sogar ansehen. In den professionell gemanagten Staatswäldern, die dem Bund oder den Ländern gehören, führen im regelmäßigen Abstand von 30 Metern Rückegassen ab von den Haupterschließungswegen. Darauf verkehrt das schwere Gerät aus Harvestern und anderen Vollerntern, die mit ihrem langen Arm die Stämme von der Fläche holen können.

Die Besitzer

In Privatwäldern ist die Erschließung oft ein von den Besitzern vor sich hergeschobenes Problem. Es gibt Kleinwaldprivatbesitz und Großwaldbesitzer, darunter häufig Adelige und neuerdings vermehrt Investoren aus der Wirtschaft, darunter Aldi. Auch die Kirchen halten Waldbesitz und manche Gemeinden und Städte. So genannte Realwälder bilden eine Sonderbesitzform und eine sehr alte; dabei haben Besitzer von agrarischen Hofstellen verbriefte Rechte zur Waldnutzung: Zum Bezug von Brenn- und Bauholz ebenso wie zur Entnahme von Laub und Gras als Einstreu für die Ställe.

Eggert und Kohler, unprätentiöses Auftreten, dialektfreie Sprache, druckreife Ausdrucksweise, wären auch vorstellbar als Seminarleiter an einer Hochschule. Als Manager des Waldes jonglieren sie zwischen Naturbegeisterung und Zahlenwerk. Die Holzmenge, die „ihr“ Betrieb alljährlich dem Markt zur Verfügung stellt, ist imposant. Es sind insgesamt 131.000 Festmeter, wie es in der Fachsprache heißt. Einer ist ein Kubikmeter mit gestapeltem Holz. 11.000 Festmeter davon werden als Brennholz abgegeben. Doch wer als Neukunde nach einem Häppchen davon heischte, hatte zuletzt schlechte Karten. Selbst wenn die Nachfrage explodiere, werde nicht mehr Holz eingeschlagen, verlautet es aus beiden Forsteinrichtungen.

„Niemand plündert wegen eines momentanen Trends seinen Wald“, sagt Mayr. Wobei Privatwäldler da mehr Spielräume hätten. Doch die Waldgesetze, die etwa einen Waldfrevel verhindern sollen, gelten auch für sie.

Die Waldstrategie

Wenn man seine Kollegen in Weißenhorn auf das Thema Brennholz anspricht, bekommt man erst einmal einen Einführungskurs zum Thema Waldstrategie. Brennholz spielt darin nur insofern eine Rolle, dass es eben anfällt. Sei es bei der „Ernte“ von Bäumen aus dem Altbestand, sei es bei der „Durchforstung“ (Auslichtung) von dichten Jungbeständen. Dabei werden gezielt Jungbäume „entnommen“, damit es die anderen besser haben und auch Arten hochkommen können, die mehr Licht brauchen, langsam wachsen und erwünschter sind: Eichen zum Beispiel.

Ein Forstarbeiter in orangefarbener Arbeitskleidung und mit Kettensäge in den Händen vor Fichten

Holzerei: Waldarbeit ist auch Kettensägenarbeit Foto: Michael Schick/imago

Rund zehn Kubikmeter Holz dürfen den Wäldern in der Region der beiden Reviere pro Hektar und Jahr entnommen werden, wenn die Nachhaltigkeitsformel Gültigkeit behalten soll. Das ist so viel, wie in dem Zeitraum auf der Fläche mit Altbestand auch wieder nachwächst. Gewähr, dass sie staatlicherseits eingehalten wird, liefert die alle zehn Jahre stattfindende Wald-inventur, nach der gegebenenfalls auch nachjustiert werden kann.

„Unser Spielraum ist allein durch gesetzliche Auflagen stark eingeschränkt“, sagt der Weißenhorner Forstbetriebschef. Anspruch sei kein geringerer, als „vorbildliche Wälder“ zu entwickeln. Im Betrieb läuft seit über drei Jahrzehnten der Waldumbau hin zu klimaresistenteren und stabilen Mischwäldern. Weg von den stark gefährdeten Fichtenmonokulturen, lautete seither die Parole, die heute im Zuge des Klimawandels aktueller denn je ist. Wenigstens fünf Baumarten sollen jetzt auf der Fläche vorkommen und möglichst alle Altersklassen. Die Strategie trägt längst Früchte.

Weiteres Ziel ist ein werthaltiges Holz aus ebenmäßigen und astlosen Stämmen. In den Sägewerken werden daraus Balken, Bretter oder Latten geschnitten, Material für Möbel, Dachstühle und vieles mehr. Zu Brennholz werde allein jenes Material, das für eine höherwertige Nutzung ausscheidet, versichert Eggert. Man kann das im Handel ofenfertig erwerben oder selbst mit Genehmigung und auf Zuteilung im Wald aufarbeiten. Die Zahl derer, die dieses Holz mit eigener Kräfte Arbeit aus dem Wald holen, sei zuletzt auffallenderweise gestiegen.

Laubbäume sind als Quelle für Brennholz ergiebiger als Nadler und für diesen Zweck eindeutig beliebter. Betriebswirtschaftlich fällt dieses ins Segment „Industrieholz“, das eine völlig unterschiedliche Verwendung findet. In der Papier- und Spanplattenindustrie ebenso wie bei der „thermischen Verwertung“.

Die Gier der Schlünde

Sowieso werden bei der Holzverbrennung die Schlünde immer gieriger. Da sind zum einen die privaten Kaminöfen, die das Heizen zu Hause mit der Gemütlichkeitssteigerung verbinden. Dazu kommen aber viele weitere Verbrenner, von Zentralheizungen, die Pellets verschlingen, über Hackschnitzelanlagen für Blockheizkraftwerke bis hin zu Großanlagen im Fernwärmebereich.

Die zur Verfeuerung genutzte Holzmenge habe sich seit 1990 glatt verdreifacht, führt der Bund Naturschutz in Bayern (BUND) an.

Bäume in einem Wald haben weiße Markierungen

Waldzeichen: Markierungen für den Transport Foto: Anja Cord/imago

Bei den Privaten ist die Lage im Wald einigermaßen unübersichtlich. Die Waldbesitzer-Szene ist sehr buntscheckig. „Manche holen aus ihrem Wald selbst noch das kleinste Stöckchen raus“, beobachtet Michael Mayr. Andere wiederum kümmerten sich um ihren Wald nicht die Bohne. Für Forstleute, die einen vitalen Wald als Ziel vor Augen haben, gelten diese quasi als die Problembären unter den Eignern. Die „urbanen Waldbesitzer“, ein neuerer Typus, zählten aber nicht in jedem Fall dazu. Querbeet, sinniert Mayr, lasse die Bindung zum privaten Waldbesitz nach. Parallel zum Rückgang der Landwirtschaft, deren integraler Bestandteil er einst gewesen ist. Doch bei anderen spielten ökologische Überlegungen sogar eine immer größere Rolle – teils aus tiefster Überzeugung, teils aus dem Einsehen, dass die Plantagenwirtschaft mit Monokulturen keine Zukunft hat. Sie experimentierten beispielsweise mit Naturverjüngung oder seltenen Arten. In der Gegend mit Elsbeere zum Beispiel, mit Speierling und Mehlbeere.

Auch der „weibliche Blick“ finde vermehrt seinen Niederschlag. Waldbesitzerinnen, stellt Mayr fest, „haben oft mehr fürs Optische übrig“, etwa für blühende, gestufte und vogelfreundliche Waldränder. Gier nach Brennholz stünde auch damit in Konflikt.

Jessica Aumer hat damit professionell zu tun, genauer gesagt mit der Herstellung von Holzbriketts aus Sägemehl. Sie ist Co-Geschäftsführerin von Holzbau Aumer, einer mittelständischen Zimmerei in Weiding in der Oberpfalz mit 17 Beschäftigten. Holzbriketts haben wegen des Pressenherstellers Ruf, der die Hardware liefert und zahlreiche Hersteller mit seinen Maschinen ausrüstet, überall dasselbe Format. Seit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise ist deren Preis im Einzelhandel durch die Decke geschossen, von vormals unter zwei Euro pro Zehn-Kilo-Pack auf nun bis zu acht Euro.

Dass da Sondergewinne eingestrichen werden, ist naheliegend. Doch auch die Hersteller sind mit gestiegen Kosten konfrontiert. Sagt Aumer, die den Preisanstieg beim Strom und für den Rohstoff anführt. Gleichzeitig sei derzeit die Konkurrenz aus dem Ausland weniger präsent auf dem deutschen Markt. Die Nachfrage bei ihr habe angezogen.

Woher ein Holzbrikett stammt, sieht man ihm nicht an. Bei Aumer werde dafür ausschließlich Holz aus der Umgebung verwendet. „Wie immer bei Rohstoffen ist beim Einkauf viel Pokern im Spiel“, sagt Jessica Aumer. Die Auskunft „derzeit nicht lieferbar“ könne trotzdem bedeuten, „dass der Hof voll steht“.

Das Klima und das Holz

Was macht das eigentlich mit dem Klima, wenn Öl und Gas immer mehr auch durch Holz ersetzt werden? Anruf bei Ralf Straußberger, beim BUND als Referent zuständig für das Fachgebiet Wald und Jagd. Bei der Naturschutzorganisation ist man, das gleich vorweg, wenig begeistert vom Run auf Brennstoffe aus Holz. Das laufe völlig aus dem Ruder. Zwar will der BUND keinem Privaten seinen Holzofen wegnehmen oder die vielen kleineren, bereits existierenden Anlagen auspusten. „Gerade im ländlichen Raum machen diese ja auch Sinn, weil sie ein Stück weit Energie-Autarkie bringen, in regionale Kreisläufe eingebunden sind und Öl und Gas ersetzen“, sagt Straußberger. Ein weiterer Zuwachs aber wäre nicht förderlich. Nach BUND-Erkenntnis sind holzbefeuerte Anlagen, gemessen an der erzeugten Wärmemenge, sogar klimaschädlicher als solche, die mit Öl oder Gas betrieben werden.

Diese Aussage kollidiert mit der in den Diskussionen immer wieder angeführten Nullsummenrechnung. Gemäß dieser würde bei einer Verbrennung von Holz ja nur so viel CO2 wieder freigesetzt, wie zuvor darin gebunden war. Diese Bilanzierung aber, so Ralf Straußberger, „führt in die Sackgasse“. Sie übergehe das Hauptziel, das in einer massiven Verringerung des CO2-Ausstoßes liegen müsse. Um dieses zu erreichen, gelte es dringend, auch die CO2-Speicher wie Wald oder Moore zu erhalten und zu stärken. Die Zukunft der Wärmeerzeugung liegt für den BUND hauptsächlich in der mit Solar- oder Windstrom betriebenen Wärmepumpe.

Und dann kommt die große Politik ins Spiel. Die Aufrechnung von CO2-Emissionen aus dem Wärmesektor mit einer CO2-Speicherung in Wäldern diene doch hauptsächlich der Rechtfertigung von Großanlagen, argumentiert der BUND. Heimisches Holz reiche dafür gar nicht aus. Da muss man gleich an Dokumentationen denken über die rabiate Art, wie in Ländern wie Frankreich, Finnland oder Kanada Waldwirtschaft betrieben wird. Mit gewaltigen Kahlschlägen: „Damit gehen wichtige CO2-Senken verloren“, sagt Straußberger und verweist gleichzeitig auf die immensen Waldverluste in Deutschland durch Borkenkäferbefall, der durch die Klimakrise stark zugenommen hat. In beiden Szenarien werde aus einer Senke, also einem System, das CO2 bindet, nun ein CO2-Emittent. Weil nun auch jenes CO2 freigesetzt wird, das im Humus gebunden war. Das sei sogar ein höherer Anteil im Vergleich zur dort ausgebildeten Biomasse.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Im Nachklapp endet auch das Gespräch mit Revierförster Michael Mayr wieder im ökonomischen Gestrüpp. Er macht geltend, dass Waldbesitzer eventuelle Erlöse aus Holz, das verfeuert wird – das im Übrigen in seinem Revier um lediglich ein Viertel im Preis angezogen habe – mit in ihre Bilanz einbeziehen. Sie übernähmen eh schon so viele gesellschaftliche Aufgaben unentgeltlich, vom Wasserschutz bis zum Erhalt von Erholungsräumen. Sie könnten dieses Geld gut gebrauchen, um den Wald als Generationenaufgabe weiter finanzieren zu können.

Die Grenzen zwischen Gewinnstreben und Idealismus verlaufen mitten durch den deutschen Wald.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.