Eckpunkte für Kindergrundsicherung: Streit ums Geld deutet sich an

Noch ist unklar, wie viel die geplante Kindergrundsicherung kosten wird. Das Finanzministerium geht schon mal in Abwehrhaltung.

Familienministerin Lisa Paus

Kann sich schon mal auf einen Streit um das Geld einstellen: Familienministerin Lisa Paus Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Kinder lieben alle, niemand profiliert sich gern auf ihre Kosten. Mit diesem gesellschaftlichen Wohlwollen für die Kleinsten im Rücken hofft das von Lisa Paus (Grüne) geführte Familienministerium, die Kindergrundsicherung als das zentrale Projekt gegen Kinderarmut in dieser Legislatur umzusetzen. Erste Eckpunkte hat das Ministerium zur Ressortabstimmung verschickt, sie liegen der taz vor. Doch der Streit um's Geld deutet sich bereits an.

Denn unklar ist bislang, wie viel die Kindergrundsicherung kosten wird. Das Bundesfamilienministerium dementierte am Freitag Schätzungen, wonach die zusätzlichen Kosten für die Kindergrundsicherung auf acht bis zehn Milliarden Euro geschätzt werden. Bislang gebe es noch gar keinen finanziellen Rahmen, heißt es aus dem Familienministerium.

Doch dass die Kindergrundsicherung etwas kosten wird, ist ebenfalls klar. So heißt es in den Eckpunkten, man wolle nicht nur das Leistungsniveau erhöhen, sondern auch „mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreichen“ – unter anderem durch einen „Kindergrundsicherungs-Check“, der Familien darüber informiert, welche Zusatzleistungen ihn zustehen.

Zudem will das Bundesfamilienministerium, dass die Regelbedarfe „zukünftig stärker als bisher an den Haushaltsausgaben der gesellschaftlichen Mitte“ ausgerichtet werden. Die mehr als 20 Jahre alten Verteilungsschlüssel, mit denen Haushaltsausgaben Kindern zugeordnet werden, sollen erneuert werden. In einem ersten Schritt sollten daher die Verteilungsschlüssel für Strom und Haushaltseinrichtung mit Inkrafttreten der Kindergrundsicherung so erhöht werden, dass sie die Realität „sachgerecht abbilden“.

Kritik aus dem Finanzministerium

Gegenwärtig orientieren sich die Regelsätze an dem, was die einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte im Alltag ausgeben. Grundlage ist die jährliche Einkommens- und Verbrauchsstichprobe.

So sind im Bürgergeld-Regelsatz laut des Portals Sozialhilfe24 für Alleinstehende gegenwärtig 174,19 Euro für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren vorgesehen, 30,57 Euro für Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände und 42,55 Euro für Wohnen, einschließlich Energie und Instandhaltung. Kindern steht abhängig vom Alter nur 63 bis 84 Prozent dieses Regelsatzes zu. Zudem sind Dinge wie Stifte, Schulranzen oder ein Handy gar nicht berücksichtigt. Das BMAS lehnt diese Verbrauchsausgaben allerdings strikt ab. Sie seien unbrauchbar und irreführend, heißt es auf Anfrage der taz.

Fest steht allerdings, dass die Regelsätze für Kinder – egal in welcher Zusammensetzung – niedriger als die der Erwachsenen sind. Sie betragen gegenwärtig für Kinder im Alter von 0-5 Jahren 318 Euro, im Alter von 6-13 Jahren 348 Euro monatlich und für Kinder von 14-17 Jahren 420 Euro monatlich.

Sozialverbände, die Linkspartei und die Grünen – damals noch in der Opposition - forderten seit langem eine Erweiterung dieser Bemessungsgrundlage und damit deutliche höhere Regelsätze. Auch Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte noch im Sommer, als er seine Pläne für das Bürgergeld vorstellte, verkündet: Für ihn sei klar, dass es eine andere Bemessungsgrundlage brauche, auf Basis derer die Regelsätze dann deutlich steigen sollten. Damit konnte sich Heil nicht durchsetzen. Er scheiterte an Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Auch auf die Pläne von Paus reagiert das Bundesfinanzministerium nun sehr verhalten. „Es handelt sich offenbar um einen Schnellschuss vor der Berlin-Wahl. Es kann daher keine Garantie geben, dass diese Vorüberlegungen wirklich so umgesetzt werden können“, sagteein Vertreter des Ministeriums der dpa. Alle Koalitionsprojekte müssten in den Bundeshaushalt passen.

Geld erst ab 2025

Die Ampel hatte sich im Koaltionsvertrag auf eine „Neudefinition des kindlichen Existenzminimums“ geeinigt. Das Ergebnis der Neuberechnung soll als Grundlage für die Berechnung der Kindergrundsicherung dienen.

Auch die Bundesländer werden wohl hart um die Verteilung der Kosten feilschen. Bis der Gesetzentwurf dem Bundesrat vorliegt, dauert es allerdings noch. Zunächst beugen sich die sieben Bundesministerien der im März 2022 gegründeten Arbeitsgruppe über die Eckpunkte und erarbeiten ein gemeinsames Papier. Dieses soll Grundlage für den Gesetzentwurf sein, der voraussichtlich nach der Sommerpause vorliegen soll. Erhalten sollen Kinder die Grundsicherung erst ab 2025.

Die Kindergrundsicherung soll nach den Plänen des Familienministeriums aus zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag in Höhe des dann geltenden Kindergeldes. Das sind aktuell 250 Euro. Und einem Zusatzbetrag, der sich nach der sozialen Bedürftigkeit richtet. Das Ministerium plant, aktuelle Leistungen für Kinder wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag und den Teilhabebetrag für Sport- oder Musikvereine zu bündeln und künftig von einer Stelle auszahlen zu lassen. Minimalziel: Niemandem soll es schlechter gehen.

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