Unterbezahlte Hilfskräfte: Uni soll Tarif zahlen

SPD und Grüne in Hamburg wollen bessere Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte von ihrem Senat prüfen lassen.

Das Gesicht der Frau ist zwischen vielen Luftballons zu sehen, auf die die Forderung nach einem Tarifvertrag aufgedruckt ist

2011 war der Traum der studentischen Mit­ar­bei­te­r:in­nen vom Tarifvertrag schnell wieder geplatzt Foto: Peter Steffen/dpa

HAMBURG taz | Prekäre Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte sind an deutschen Hochschulen schon lange ein Thema. Sie sind besonders stark von Kettenverträgen, fehlendem Mitspracherecht und lausiger Bezahlung betroffen und von dem sonst geltenden Tarifvertrag der Länder an Hochschulen ausgenommen.

Nun gibt es in Hamburg einen Vorstoß, um diesen Missstand zu beenden. SPD und Grüne haben dazu am Mittwoch in der Bürgerschaft einen gemeinsamen Antrag an den Senat gestellt. Darin fordern sie, zu prüfen, wie eine Mindestvertragsdauer von zwölf Monaten für studentische Beschäftigte gesetzlich verankert werden kann. Derzeit ist laut der Gewerkschaft Ver.di die große Mehrheit, nämlich 70 Prozent der studentischen Beschäftigten, mit Laufzeiten von nur zwei bis vier Monaten angestellt. Außerdem soll sich der Senat auf Bundesebene für einen Tarifvertrag einsetzen.

Der Hamburger Linksfraktion ist das nicht genug. Sie hat einen Zusatzantrag gestellt, in dem sie eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten ab dem Wintersemester 2023/24 und Personalräte für studentische Beschäftigte fordert. Stephanie Rose, die wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, erklärt dazu: „Wenn der Senat es ernst meint mit der ‚Stadt der guten Arbeit‘, braucht er unseren konkreten Maßnahmenkatalog und nicht nur die vagen Prüfaufträge aus dem Antrag der Regierungsparteien.“

Bezahlung knapp über Mindestlohn

Diese Forderungen unterstützt auch die gewerkschaftlich organisierte Initiative „TVStud Hamburg“, die sich seit drei Jahren für einen Tarifvertrag auf Landes- sowie auf Bundesebene einsetzt. Auch wenn man den Vorschlag von SPD und Grünen als „einen ersten guten Schritt“ anerkenne, reiche das noch nicht aus, sagt Ludwig Ipach von TVStud Hamburg, der wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni Hamburg ist. Denn: „Wir leisten an der Universität sehr anspruchsvolle Arbeit und werden knapp über Mindestlohn bezahlt.“

Der Druck, sich für die Verlängerung des Arbeitsvertrages ständig beweisen zu müssen, sorge dafür, dass widrige Arbeitsbedingungen in Kauf genommen werden. Ipach berichtet, dass „die studentischen Angestellten ihr Urlaubsrecht oft nicht wahrnehmen oder Krankheitstage nacharbeiten“ würden. Da ständig neue Verträge abgeschlossen werden müssen, komme es außerdem zu einer „stetig bürokratischen Überforderung“ an den Hochschulen. „Studierende arbeiten deswegen oft vor Vertragsbeginn oder darüber hinaus“, sagt Ipach. Auch das Gehalt komme öfter zu spät an. „Dass die studentischen Beschäftigten in Hamburg explizit aus dem Personalvertretungsgesetz ausgenommen sind, erschwert es, gegen diese Verstöße des Arbeitsrechts vorzugehen.“

Kritik an den Forderungen kommt laut TVStud Hamburg vor allem von den Kanz­le­r*in­nen der Hochschulen in Hamburg. Die argumentieren, dass ein Tarifvertrag zu teuer sei. Für Ipach ist das nicht überzeugend. „Es ist für das gesamte Wissenschaftssystem besser, wenn wirkliche Arbeitsstellen geschaffen werden, statt studentische Beschäftigte weiterhin als Lohndrücker zu nutzen.“ Es sei dann vor allem „die Aufgabe der Landesregierung zu gewährleisten, dass die Wissenschaft ausreichend finanziert ist, um gute Arbeitsplätze zu gewährleisten“. Präsident und Kanzler der Universität Hamburg wollen sich auf Anfrage der taz nicht zum Thema äußern.

Schwung in die Debatte hat eine bundesweite Studie zur Situation der studentischen Beschäftigten gebracht, die am Freitag veröffentlicht wird. Die Untersuchung hat TVStud gemeinsam mit der Bremer Uni auf den Weg gebracht, nachdem die Tarifrunde der Länder weitere Verhandlungen nur nach einer Bestandsaufnahme der Situation zugesagt hatte.

Berlin ist Vorreiter in Sachen Tarif

Sie umfasst die Befragung von 11.000 studentischen Angestellten, davon rund 900 aus Hamburg. Eines der Ergebnisse ist, dass studentische Angestellte in Berlin die besten Arbeitsbedingungen haben, was darauf zurückzuführen ist, dass es dort im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern einen Tarifvertrag gibt.

Wann sich die Situation der studentischen Beschäftigten jenseits von Berlin konkret verbessern könnte, ist ungewiss. Miriam Block, Sprecherin für Wissenschaftspolitik der Grünen-Fraktion Hamburg, erwartet, „dass spätestens im Sommer 2023 an den Hochschulen eine Vertragslaufzeit von mindestens zwei Semestern gilt“. Der aktuelle Antrag aus der Bürgerschaft sieht allerdings zunächst nur die Prüfung einer möglichen Umsetzung vor.

Auf Bundesebene setzt die TVStud Hamburg große Hoffnung in Andreas Dressel (SPD), den Hamburger Finanzsenator, der derzeit auch Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes der Länder ist. Er soll sich bei der Tarifrunde deutscher Länder (TdL) für einen Tarifvertrag nach Berliner Vorbild für die über 300.000 studentischen Beschäftigten einsetzen. Bislang ist das von der Mehrheit der TdL-Mitgliedsländer abgelehnt worden. Die nächste Chance bietet die Tarifrunde im Herbst 2023.

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