Lufthansa bietet für Italiens Airline ITA: Melonis Realismus

Italiens Regierungschefin Meloni kokettiert gern mit ihrer Aversion gegen Deutschland. Doch in Europa fällt ihre Regierung eher mit Pragmatismus auf.

Ministerpräsidentin Georgia Meloni

Die italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni Foto: Remo Casilli/reuters

Man muss sich schon wundern über Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Ausgerechnet die Regierung der Postfaschistin wird jetzt in Verhandlungen mit der Lufthansa über deren Einstieg bei der italienischen Fluglinie ITA eintreten. Ausgerechnet sie favorisiert jetzt eine „deutsche“ Lösung, um endlich das Problem mit dem Milliardengrab zu lösen, das erst die Fluglinie Alitalia und dann die im Jahr 2021 gegründete Nachfolgegesellschaft ITA Airways seit Jahren für die italienischen Steu­er­zah­le­r*in­nen darstellten.

Dabei hat Meloni, wann immer es um Deutschland ging, aus ihrem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. In ihrer Autobiografie „Io sono Giorgia“ („Ich bin Giorgia“) berichtet sie von ihrem Trauma, dass ihr Deutsch als mündliches Abiturfach angetan wurde, und fährt fort, „ich frage mich, ob daher eine gewisse Aversion meinerseits gegenüber Deutschland herrührt“.

Diese „gewisse Aversion“ artikulierte sie immer wieder, ob ihr nun der Regierungschef Mario Monti in den Jahren 2011–2013 als Erfüllungsgehilfe Angela Merkels galt oder ob sie dann den Premier Giuseppe Conte als „Majordomus der Deutschen“ schmähte. Melonis Freunde sitzen woanders, vorneweg in Warschau und Budapest. Es überrascht nicht, dass das Verhältnis der italienischen Rechtsregierung zu Berlin als eher kühl beschrieben werden kann – zu einem Treffen Melonis mit Olaf Scholz, das über Händeschütteln am Rande der europäischen Gipfel hinausginge, ist es bisher nicht gekommen.

Doch jenseits des Atmosphärischen fällt Italiens Rechtsregierung auf dem europäischen Parkett bisher vor allem durch pragmatischen Realismus auf. Selbst der Einbehaltung von 6,3 Milliarden Euro EU-Geldern gegenüber Viktor Orbáns Ungarn stimmte Meloni im Dezember zu, und trotz lauten Gemeckers aus der Rechtskoalition wird Italiens Parlament demnächst wohl auch den reformierten Europäischen Stabilitätsmechanismus ratifizieren. Eben dieser Realismus führt Meloni jetzt auch bei der ITA-Übernahme die Hand – und ihr bleibt gar nichts anderes übrig, wenn sie Italien innerhalb Europas nicht ins Abseits führen will.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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