Wahlkampfhilfe vom Kanzler

Olaf Scholz (SPD) springt der Regierenden in der Frage von Enteignungen bei. Grüne Spitzenkandidatin Jarasch sieht keine Möglichkeit für schnelles Gesetz zur Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne

Von Anna Klöpper

Nun mischt sich auch der Kanzler persönlich in die heiß geführte Wahlkampfdebatte über die Enteignung großer Wohnkonzerne ein. Die zustimmende Haltung von Linken und – aus seiner Sicht – auch der Grünen-Partei kritisierte Olaf Scholz (SPD) als „unverantwortlich“. Konkret sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag: „Die Illusion zu verbreiten, dass man es bei einer wachsenden Bevölkerung mit heute völlig veränderten Lebensverhältnissen schaffen könnte, ohne neue Wohnungen zu bauen, die hohe Nachfrage zu decken, halte ich für unverantwortlich.“ Durch Enteignen entstünden „keine neuen Wohnungen“, wiederholte er ein Argument der Regierenden Franziska Giffey (SPD).

Giffey, deren SPD in den letzten Umfragen Kopf an Kopf mit den Grünen liegt, hatte den Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen zuletzt zur Gewissensfrage erklärt. Sie könne es, auch mit Blick auf ihre DDR-Biographie, nicht verantworten, eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen in Berlin zu unterstützen.

Knapp 60 Prozent dafür

Im Jahr 2021 hatten knapp 60 Prozent der Ber­li­ne­r*in­nen für eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen gestimmt. Seitdem prüft eine Expert*innenkommission, ob und wie der Volksentscheid rechtssicher umgesetzt werden kann. Die Linke will noch in diesem Jahr einen beschlussfähigen Gesetzentwurf vorlegen.

Etwas weniger klar als das Nein von Giffey und das Ja der Linken ist hingegen die Haltung der Grünen. Beim dritten taz-Talk zur Wahlwiederholung am 12. Februar sagte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, sie sei „bereit, ein solches Gesetz zu erarbeiten“. Allerdings knüpfe sie daran „ein paar Bedingungen“. Es müsse rechtssicher sein, womit auch die Frage nach der Höhe der Entschädigungssummen für die Konzerne verbunden sei. Da wiederum müsse man sehen „was wir uns als Land leisten können“.

Sie rechne deshalb nicht damit, dass ein Gesetz „einfach in ein paar Monaten“ kommt, sagte sie am Freitagabend auf dem taz-Podium auch an die Adresse des Koalitionspartners Linke. Mit Blick auf Giffeys „Gewissensfrage“ sagte sie: „Die SPD selber hat ja eine andere Parteitagsbeschlusslage.“ Sie hoffe, die gelte „auch für eine Spitzenkandidatin“.

In einer aktuellen Umfrage zum Wahltrend vom Donnerstag vergangener Woche rangiert die CDU mit 23 Prozent Zustimmung auf Platz eins. Die Grünen und die SPD liegen mit jeweils 19 Prozent gleichauf – und die Linke kommt auf 12 Prozent. Auch die FDP wäre mit 7 Prozent wieder im Abgeordnetenhaus vertreten.

Das macht rechnerisch nur eine Dreierkoalition möglich. Ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linke hätte weiterhin eine Mehrheit. Zunehmend offen scheint gegen Ende des Wahlkampfs allerdings die Frage, ob unter Führung der SPD oder der Grünen (siehe auch Seite 23). In Umfragen Anfang Januar hatte die SPD noch einen knappen Vorsprung gegenüber den Grünen.

Alle drei taz Talks zur Abgeordnetenhauswahl finden sich hier zum Nachschauen auf taz.de/Talk