+++ Ticker Räumung Lützerath +++: Abriss in vollem Gange

In Lützerath haben die ersten Abriss- und Baumfällarbeiten begonnen. Die Polizei räumt weiter, während im Nachbarort Hunderte dagegen demonstrieren.

Hausbesetzer und Polizei auf dem Dach

Aktivisten auf dem Dach eines Hauses am zweiten Tag der Räumung von Lützerat Foto: Henning Kaiser/dpa

16:10 Uhr: Abrissbagger arbeiten sich durch Lützerath

Die Polizei ist mit der Räumung des rheinischen Braunkohleorts Lützerath auch am zweiten Tag zügig vorangekommen. Zahlreiche Holzhütten und Barrikaden der Aktivisten wurden am Donnerstag von Baggern dem Erdboden gleichgemacht. Die Besetzer ließen sich meist ohne große Gegenwehr wegtragen. Einige waren dabei den Tränen nah. Auch die ersten symbolträchtigen Häuser der einstigen Bewohner von Lützerath wurden geräumt. Dort leisteten die Besetzer teilweise stärkeren Widerstand. Es flogen Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte, wie eine dpa-Reporterin berichtete.

Am Donnerstagmorgen mussten die Besetzer bereits den symbolträchtigen Duisserner Hof aufgeben, den der als „letzter Bauer von Lützerath“ bekannt gewordene Besitzer bis zuletzt gegen die Enteignung verteidigt hatte. Das Gebäude war zu einem bildstarken Symbol des Widerstands gegen den Braunkohle-Tagebau Garzweiler geworden.

Auch in einem zweiten Gebäude, dem sogenannten Paulahof mit einer aufgemalten Regenbogen-Flagge auf der Fassade, begann die Räumung. Als die Polizei vorrückte, flogen Rauchbomben und Raketen in Richtung der Beamten. Außerdem ging die Polizei Hinweisen nach, dass Aktivisten unter der Erde eine Tunnelanlage gebaut haben könnten, um die Räumung zu behindern.

Doch Angriffe auf Polizeibeamte bleiben nach Einschätzung von Beobachtern die Ausnahme. Im Großen und Ganzen war der Protest gewaltfrei. Einige Aktivisten hatten sich mit Kleber in ihren Holzhütten festgeklebt, um der Polizei die Räumung zu erschweren. Beamte konnten sie aber schnell lösen. Eine Aktivistin hatte mit einem Autowrack einen Zufahrtsweg versperrt und ihre Füße durch das Bodenblech in die Straße einzementiert. „Wir haben Erfahrung mit Lock-ons aller Art“, sagte ein Polizeisprecher.

Auch aus den in bis zu zehn Meter Höhe errichteten Baumhäusern ließen sich Besetzer von Höhenrettern ohne große Gegenwehr nach unten holen. Anschließend schnitten Polizisten die Halteseile durch, so dass Baumhäuser krachend in die Tiefe stürzten und dort in viele Einzelteile zerbrachen, wie ein dpa-Reporter berichtete.

Ein Klimaaktivist, der in einem Baumhaus ausharrte, postete ein Video auf Twitter, in dem er seine Enttäuschung über die Baumfällarbeiten zum Ausdruck brachte. „Es ist bitter, bitter, bitter, dass während der Klimakrise Bäume gefällt werden, damit Braunkohle verbrannt werden kann, was den Planeten zerstört.“

Das stürmische und regnerische Wetter machte den Aktivisten zu schaffen. „Wir hoffen, dass der Sturm nicht noch stärker wird“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“. Die Situation sei für die Menschen in den Baumhäusern gefährlich. „Im Normalfall kommen sie bei Sturm runter.“ Wie viele Aktivisten noch in Lützerath sind, sagte sie nicht. (dpa)

15:35 Uhr: Verwaltungsgericht billigt Anordnung von Polizei

Das Aachener Verwaltungsgericht hat eine von der Polizei angeordnete Verlegung zweier Mahnwachen aus Lützerath vorläufig gebilligt. Die Maßnahme sei voraussichtlich rechtmäßig und nicht zu beanstanden, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Sie sei auch verhältnismäßig, weil an den zugewiesenen neuen Standorten in Sichtweite der Siedlung „der Bezug zu dem Thema der Mahnwache weitgehend gewahrt bleibt“. Gegen den Beschluss ist allerdings noch Beschwerde möglich.

Laut Gericht handelt es sich bei Lützerath nicht um einen dem allgemeinen Publikum für „kommunikativen Verkehr“ zugänglichen Bereich, in dem eine Mahnwache unter Umständen auch ohne Zustimmung des Flächeneigners gestattet wäre. Lützerath gehört dem RWE-Konzern und gilt als Betriebsgelände. Das Gericht verwies außerdem auch auf eine vom Landkreis Heinsberg erlassenen Verfügung, die das Betreten des Bereichs seit Dienstag generell untersagt. (afp)

14:50 Uhr: Polizei prüft Hinweise auf Tunnelanlage
Luisa Neubauer

Auch in Lützerath: Klimaaktivistin Luisa Neubauer Foto: Christian Mang/rtr

Die Polizei hat nach eigenen Angaben Hinweise auf eine Tunnelanlage im von Aktivisten besetzten Lützerath. Die Situation werde vor Ort geprüft, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmittag. Weitere Angaben machte er zunächst nicht. (dpa)

14:50 Uhr: Klimaschützer besetzen NRW-Grünenzentrale

Die Parteizentrale der nordrhein-westfälischen Grünen ist am Donnerstag zum zweiten Mal in dieser Woche Zielscheibe von Klimaschützern geworden. Aus Protest gegen die Haltung der Grünen zur Räumung des Dorfes Lützerath besetzten rund 30 Aktivisten mehrerer Klimaschutz-Organisationen das Düsseldorfer Büro der NRW-Grünen. Ein Parteisprecher bestätigte das.

„Wir fordern ein Moratorium, um die unsinnige und gefährliche Räumung im Rheinischen Braunkohlerevier zu stoppen“, erklärte das „Bündnis Lützerath Unräumbar“ in einer Mitteilung. Die Besetzer forderten, mit NRW-Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) persönlich zu verhandeln.

Am Dienstag hatte ein Düsseldorfer Bündnis bereits 250 Kilo Braunkohle-Briketts vor der Landesparteizentrale der Grünen abgeladen. Damit sollte der Öko-Partei symbolisch vorhalten werden, „dass sie nicht mehr die Partei der Klimaschützer sind, sondern die Kohle-Partei“. (dpa)

14:15 Uhr: Aktivisten kleben sich in ihren Hütten fest

Mehrere Aktivisten im Braunkohleort Lützerath haben sich mit Kleber in ihren Hütten festgeklebt, um der Polizei die Räumung zu erschweren. In einer Hütte klebten Besetzer ihre Hände an die Fensterscheiben. Beamte konnten sie aber schnell lösen, wie ein dpa-Reporter am Donnerstag berichtete. „Wir haben Erfahrung mit Lock-ons aller Art“, sagte ein Polizeisprecher. Als Lock-on werden Aktionen bezeichnet, bei denen sich Aktivisten festkleben oder anketten, damit Polizisten sie nicht einfach wegtragen können. (dpa)

14:05 Uhr: Baumhaus wird zum Absturz gebracht

In Lützerath haben Polizisten ein Baumhaus der Aktivisten aus knapp 10 Metern Höhe kontrolliert zum Absturz gebracht. Nachdem die Besetzer das Holzhaus verlassen hatten, wurden alle Halteseile durchgeschnitten. Das Baumhaus sei dann am Donnerstag krachend in die Tiefe gestürzt und dort in viele Einzelteile zerbrochen, berichtete ein dpa-Reporter. Einsatzkräfte waren dabei, auch benachbarte Baumhäuser zu räumen. Auf dem Boden rissen Bagger mit ihren Schaufeln bereits eine Hütte nach der anderen ab. (dpa)

12:00 Uhr: Polizei kündigt Abrissarbeiten in Lützerath an
Polizisten in Uniform und mit Helm stehen vor einem Plakat, auf dem steht: "1,5°C heißt: Lützerath bleibt"

Tag 2 der Räumung: Lützerath im Morgengrauen Foto: Oliver Berg/dpa

Bei der Räumung des Braunkohleortes Lützerath hat die Polizei Abriss- und Baumfällarbeiten für diesen Donnerstag angekündigt. Durchgeführt werden diese von RWE, dem Konzern gehört die Ortschaft. Wenn die Polizei einen Bereich für gesichert erkläre, werde man mit den Arbeiten beginnen, sagte ein RWE-Sprecher. „Sicherheit für alle Beteiligten hat dabei oberste Priorität.“

Wo die Abrissarbeiten sein werden, wollte er nicht sagen. Massive Gebäude werden aber wohl noch nicht so schnell von Abrissarbeiten betroffen sein, weil dort noch Menschen sind. Bereits am Mittwoch war ein erstes Baumhaus abgebaut und Bäume gefällt worden. Diese Arbeiten gingen am zweiten Tag der Räumung weiter. (dpa)

12:00 Uhr: Mehrere Hundert Menschen demonstrieren

Mehrere Hundert Menschen haben am Donnerstag gegen die Räumung des Braunkohleortes Lützerath protestiert. An dem Demonstrationszug vom Erkelenzer Ortsteil Keyenberg in Richtung des etwa vier Kilometer entfernten Lützerath beteiligten sich nach Schätzung der Polizei etwa 800 Menschen. Die Aktion wurde von mehreren Initiativen unterstützt. Unter den Teilnehmern war auch die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Sie trug ein Schild mit der Aufschrift „Klimaschutz ist Handarbeit“.

Neubauer hatte unmittelbar vor dem Start der Demonstration der Polizei ein massives Vorgehen bei der Räumung vorgeworfen. Dass die Polizei die Räumung bei Dunkelheit und bis in die Nacht hinein fortgesetzt habe, sei gefährlich und unverständlich, sagte sie vor Journalisten. (dpa)

11:45 Uhr: Beamter von Farbbeutel getroffen

Ein Polizist ist in Lützerath nach Angaben der Einsatzkräfte von einem Farbbeutel getroffen worden. Der Beamte sei nicht verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Zudem seien Einsatzkräfte mit Böllern beworfen worden. Nach Angaben des Sprechers wurde niemand getroffen oder verletzt. (dpa)

11:10 Uhr: „Fridays for Future“ kritisiert Reul

Klimaaktivistinnen und –aktivisten haben das Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Dorfes Lützerath kritisiert. Das Land Nordrhein-Westfalen und Innenminister Herbert Reul (CDU) würden sich an ihr Versprechen einer „ruhigen, überlegten Räumung“ nicht halten, sagte Pauline Brünger von „Fridays for Future“ am Donnerstag in Lützerath. Die Sicherheit der Protestierenden vor Ort werde unter anderem durch nächtliche Räumungen „aktiv gefährdet“.

Luisa Neubauer, ebenfalls Vertreterin von „Fridays for Future“, sagte in Lützerath, es gehe bei den Protesten nicht um ein Symbol, sondern „um 280 Millionen Tonnen CO₂ unter dem Dorf“, die nicht freigesetzt werden dürften. Neubauer bestätigte, dass am Samstag auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg in Lützerath erwartet werde.

Florian Öczan von „Lützerath lebt“ betonte: „Klimakrise wird an diesem Ort gemacht“. Er kritisierte die Medienberichterstattung, in der nach seinen Worten „die cleane, tolle Räumung“ durch die Polizei „gefeiert“ werde. Öczan forderte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Klimakrise. „Hier wird aktiv unsere Lebensgrundlage verbrannt“, sagte er. (epd)

10:30 Uhr: Präses Heinrich dankt Klima-Demonstranten in Lützerath

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, hat ihre Solidarität mit den Klimaschützern im rheinischen Ort Lützerath ausgedrückt. „Wir brauchen Menschen, die ihren Protest im Gebet, auf der Straße, in der Politik und manchmal auch in Baumhäusern stark machen“, schrieb Heinrich in einem Beitrag im sozialen Netzwerk Instagram. Sie danke allen, die sich „gewaltlos für Klimaschutz, für Klimagerechtigkeit, für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen“.

In ihrem Post lobte sie die Initiative „Kirche im Dorf lassen“, die in den vergangenen Monaten die Eibenkapelle in Lützerath als ökumenischen Ort des Widerstands genutzt hatte. „Wir brauchen Orte wie die Eibenkapelle, die Hoffnung geben und Kraft zum beherzten Handeln gegen die Klimakatastrophe, auf die wir zurasen“, schrieb Heinrich. (epd)

8:50 Uhr: Einsatzkräfte dringen in Gehöft ein

Die Polizei hat am Donnerstagmorgen die Räumung des von Aktivisten besetzten Braunkohleortes Lützerath fortgesetzt. Einsatzkräfte drangen in ein Gehöft ein, wie ein dpa-Reporter berichtete. Sie sägten demnach ein Loch in ein Tor. An dem Gehöft hängt ein großes gelbes Banner mit der Aufschrift „1,5° C heißt: Lützerath bleibt!“. Die Polizei hatte am Vortag mit der Räumung von Lützerath begonnen. (dpa)

8:40 Uhr: Polizei fordert Menschen zum Verlassen auf

Die Polizei hat am Donnerstagmorgen zum Verlassen des von Aktivisten besetzten Braunkohleorts Lützerath aufgefordert. Viele Einsatzkräfte zogen sich am Rande der Ortschaft zusammen, es gab Lautsprecher-Durchsagen an die Aktivisten, berichtete ein dpa-Reporter. Die Polizei hatte am Vortag mit der Räumung von Lützerath im Rheinischen Revier begonnen.

8:00 Uhr: Neuer Doppelzaun um Lützerath

Lützerath ist nun von einem neuen, anderthalb Kilometer langen Zaun umgeben. Die Konstruktion sei fast fertig, nur die Tore fehlten noch, sagte ein RWE-Konzernsprecher am Donnerstagmorgen. Die Tore sollten im Laufe des Tages eingehangen werden. RWE hatte am Mittwoch mit der Errichtung des etwa zwei Meter hohen Doppelzauns – also von zwei Zäunen nebeneinander – begonnen, um die Ortschaft als Betriebsgelände zu markieren und „eine lückenlose Umfriedung“ zu schaffen.

Der Zaun solle Unbefugte daran hindern, die Ortschaft zu betreten, sagte der RWE-Sprecher. Sobald die Polizei einzelne Bereiche für geräumt erklärt hat, sollen Bagger mit dem „geordneten Rückbau“ – also dem Abriss – beginnen. „Wann das sein wird, wissen wir nicht“, sagte der Sprecher. „Sicherheit für alle Beteiligte hat für uns dabei absoluten Vorrang.“ (dpa)

6:40 Uhr: Weitgehend ruhige Nacht

In der ersten Nacht nach Beginn der Räumung ist es weitgehend ruhig geblieben. Es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. „Im Laufe des Tages geht es mit den Räumungsarbeiten weiter“, betonte er. Ein dpa-Reporter vor Ort berichtete ebenfalls von einer weitgehend ruhigen Nacht. Einmal seien am Mittwochabend einige Böller geworfen und Feuerwerksraketen aus einem besetzten Gebäude gezündet worden, verletzt wurde niemand. Währenddessen holte die Polizei nicht weit davon entfernt eine Gruppe von Klimaaktivistinnen und Aktivisten von einem Lagerhallendach.

An einer anderen Stelle war die Polizei in der Nacht mehrere Stunden damit beschäftigt, eine Aktivistin aus einem Autowrack zu befreien, das als Hindernis auf einem Weg aufgebaut worden war. Die Frau hatte sich in dem Wrack verschanzt und ihre Füße in den Weg zementiert. In den frühen Morgenstunden konnte sie herausgeholt werden.

In den Baumhäusern und in besetzten Gebäuden harren weiterhin einige Klimaaktivistinnen und -aktivisten aus. Wie viele es sind, ist unklar. Vor Ort herrschte Dauerregen und es gab starken Wind. (dpa)

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