Anleitung zum Schwangerschaftsabbruch: Neue medizinische Leitlinie

Abtreibungen sind in Deutschland verboten, aber Alltag. Nun gibt es die erste medizinische Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch.

Gynäkologische Instrumente für einen Abbruch liegen auf einem grünen OP-Tuch

In Deutschland wird sehr viel operiert, in Schweden werden 96 Prozent der Abbrüche medikamentös durchgeführt Foto: Christian Beutler/Keystone/laif

BERLIN taz | Es sei „ein ganz besonderer Moment“, sagt Barbara Schmalfeldt, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), bei der Vorstellung der ersten medizinischen Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch. Mit dieser existiere in Deutschland „endlich auch eine evidenzbasierte Handlungsempfehlung“ für alle Mediziner*innen, die Abbrüche vornehmen, so Schmalfeldt. 15 Personen von verschiedenen Fachgesellschaften und Organisationen waren Teil der Leitlinienkommission. Dass diese oft verschiedener Meinung waren, wird im Text immer wieder deutlich.

Anders als in vielen anderen Ländern gab es hierzulande bisher keine Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch. 2019 hatte die Große Koalition die DGGG beauftragt, eine solche zu erstellen – als Teil der Reform des inzwischen abgeschafften Paragrafen 219a Strafgesetzbuch.

„Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland ein häufiger Eingriff und gehört zur gesundheitlichen Versorgung“, heißt es in der Leitlinie. Dieser simple Satz ist nicht selbstverständlich: Abtreibungen sind in Deutschland nach Paragraf 218 eine Straftat, die unter bestimmten Bedingungen nicht bestraft wird. Nämlich, wenn sie in den ersten 12 Wochen nach Empfängnis stattfindet, die ungewollt Schwangere in einer Beratungsstelle war und eine Bedenkfrist von drei Tagen hat verstreichen lassen.

Auch die Leitlinie beschränkt sich auf Abbrüche in diesen ersten 12 Wochen. Sie beinhaltet Empfehlungen zu medizinischen Aspekten direkt vor, während eines Abbruchs und danach. Sie empfiehlt aber auch, dass ein Abbruch so früh wie möglich erfolgen soll, dass Ärz­t*in­nen alle Methoden kennen und die Frau eine freie und informierte Entscheidung treffen können soll, bei der ihr alle Verfahren zur Verfügung stehen.

Kaum Daten zur Versorgungslage

All das sei ohnehin „gelebte Praxis“, erklärt Leitlinienkoordinator Matthias David (DGGG). Aus medizinischer Sicht habe es keinen großen Druck für eine solche Leitlinie gegeben – dieser sei „eher aus der Politik gekommen“.

Eine andere Meinung haben Organisationen wie Pro Familia oder die Doctors for Choice, die von eklatanten Versorgungsmängeln in Deutschland berichten. Viel zu wenige Ärz­t*in­nen nähmen Abbrüche vor, viele böten nicht alle Methoden an. In Deutschland wird sehr viel operiert, während in Schweden 96 Prozent der Abbrüche medikamentös durchgeführt werden, so die Leitlinie.

Zu diesen Fragen mangele es an Evidenz. Weder zur Versorgungslage medikamentöse Abbrüche noch zur Frage, ob es die Methode der Wahl sein sollte, habe es genug Daten für eine Empfehlung gegeben, erklärt David. Allerdings empfiehlt die Leitlinie, bei operativen Abbrüchen auf Absaugungen zu setzen – und auf Ausschabungen mit einer Metalkürette zu verzichten.

In Deutschland machen diese immer noch 11 Prozent aus. Aufschluss über die Versorgungslage könnte bald die sogenannte Elsa-Studie ­geben: Die im Rahmen der 219a-Reform in Auftrag gegebene ­Studie soll im Sommer 2023 fertig ­werden.

Dass Abtreibungen ein politisches Thema sind, zeigt die Pressekonferenz. Koordinator David hofft, er müsse „das Fallen des Paragrafen 218 nicht mehr erleben“, sagt er der taz auf Nachfrage. Anders sieht es Bundesfrauenministerin Lisa Paus (SPD), die mehrfach erklärt hat, das Strafgesetzbuch sei „nicht der richtige Ort“, um Abbrüche zu regeln – schließlich gehe es um das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung.

Laut Koalitionsvertrag soll eine Kommission Alternativen zum Strafrecht prüfen. Deren Einsetzung war längst angekündigt, verzögert sich bisher aber immer wieder.

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