Verdienter Heimsieg für Wolfsburg: Insgesamt schon okay

Im letzten Spiel unter Manager Jörg Schmadtke gewinnt der VfL Wolfsburg 6:0 gegen den SC Freiburg. Wie konnte das passieren?

Luca Waldschmidt verwandelt den Elfmeter zum 6:0 für Wolfsburg

Luca Waldschmidt verwandelt den Elfmeter zum 6:0 für Wolfsburg Foto: Swen Pförtner/dpa

WOLFSBURG taz | Fast ein jeder wünscht sich „paradiesische Zustände“. Und was soll man sagen? In Wolfsburg gibt es sie. Jedenfalls nach den Erfahrungen des Fußballmanagers Jörg Schmadtke. „Wenn es dir um professionelles Arbeiten geht, wirst du nicht viele Clubs finden, bei denen du besser aufgehoben bist als beim VfL“, sagt er in einem bilanzierenden Gespräch in der Süddeutschen Zeitung.

Der Grund seien die klaren Zuständigkeitsstrukturen bei Besitzer VW, die relative Ruhe in der Stadt und das Fehlen des handelsüblichen Wahnsinns von sogenannten Traditionsclubs, den ganzen pseudoreligiösen Unfug. Letzteres sagte er nicht explizit, aber man kann es herauslesen. Schmadtke verlässt zum 31. Januar nicht nur nach viereinhalb Jahren den Wolfsburger Bundesligisten, sondern auch den Fußball. Er ist jetzt 58, hat einiges erreicht, und es reicht ihm in mehreren Beziehungen.

In seinem letzten Heimspiel zelebrierte der VfL einen erstaunlichen 6:0-Erfolg über den mittlerweile zum Spitzenclub gereiften SC Freiburg. Obwohl, Spitzenclub? Im Fußball kann jedes Wochenende alles zur Disposition stehen. Gerade waren die Freiburger noch selbstbewusst und im Gefühl nachhaltiger Fortschritte als Tabellenzweiter aus der Winter- und WM-Pause gekommen, nun werden sie insgeheim zittern und sich fragen, ob das ein Ausrutscher war oder ein Knick. Trainer Christian Streich ließ jedenfalls nach Spielende ganz schön die Schultern hängen.

Der VfL Wolfsburg dagegen sieht sich erst mal bestätigt darin, dass die Fortschritte beträchtlich sind, die man im Erlernen des Kovac-Fußballs gemacht hat, also defensive Stabilität durch Struktur, Fitness und Aggressivität. Nico Kovac, seit Saisonbeginn VfL-Trainer, scheint nach zähem Beginn und viel Ausprobieren personell und systematisch ein Team gefunden zu haben, das mit seinem neuerdings schnellen Umschaltspiel im oberen Tabellendrittel oder in dessen Nähe mitspielen kann. So sah das zumindest am vergangenen Samstag aus.

Fünfter Sieg in Folge

Dieses Team, das die Freiburger abfiedelte, hat sich im Lauf der Vorrunde entwickelt und nun nach zweimonatiger Unterbrechung den fünften Sieg in Folge gelandet. Es agiert im 4-3-3-System mit Kapitän Maximilian Arnold als einzigem Sechser und den beiden Überraschungs-Topkräften auf den Mittelfeldhalbpositionen, als da wären der klassische Teamplayer Yannick Gerhardt und der zuvor offensiver eingesetzte Felix Nmecha. Auf den Außenbahnen ist Paulo Otavio nach seinem Kreuzbandriss mittlerweile wieder der Alte und Riedle Baku vielleicht auch, nachdem er im Spätherbst ein fast hoffnungsloser Fall zu sein schien. Auf den Flügeln agieren zwei Sprinter, Patrick Wimmer und Jakub Kaminski.

Gegen Freiburg fehlte von der neuen Stammelf nur Mittelstürmer Lukas Nmecha, der wegen seiner Knieverletzung auch die WM verpasste. Was sein Vertreter Jonas Wind, eigentlich Halbstürmer, für einen stabilen Auftritt und zwei vorentscheidende Treffer vor der Pause nutzte (28., 37.). Die frühe Führung hatte Patrick Wimmer nach 62 Sekunden erzielt, als sich eine Wolfsburger Direktkombination und Freiburger Indisponiertheit in seinem Sinne ergänzten. Die weiteren VfL-Tore schossen Gerhardt (56.), Baku (80.) und der eingewechselte Waldschmitt per Strafstoß (90+4).

Man muss zugeben, dass der nicht zuvorderst für seine Ästhetik bekannte Kovac-Fußball einen ansehnlichen Erlebnisfaktor beinhaltete, diverse Tore fielen durch spektakuläre Kombinationen. Es ist nicht so, dass Kovac da was dagegen hätte, aber er hat das Spektakel sofort nüchtern zum „Einzelfall“ erklärt: „So etwas gelingt nicht alle Tage.“

Wie immer im Fußball half dabei, dass der zuletzt superstabile SC Freiburg gerade für regelmäßige Beobachter ohne Philipp Lienhart und Vincenzo Grifo ungewöhnlich zahm und zweikampfschwach wirkte. Wenn man persönlich werden will, dann tat sich speziell Freiburgs Aushilfs-Innenverteidiger Manuel Gulde gegen Wind richtig schwer und Freiburgs Nationalspieler Christian Günter lief bei den ersten beiden Treffern falsch und ließ sich dadurch jeweils von Wimmer abkochen.

„Du kriegst Tore, die du nicht verteidigt hast“, sagte Trainer Streich mit schwachem Stimmchen. Es waren auch noch die ersten beiden VfL-Schüsse aufs Freiburger Tor. „Und dann entsteht so ein Abend, an dem man nichts falsch machen kann“, sagte wiederum Wolfsburgs Trainer Kovac. Der Abstand zu Platz 2 und auch zu Freiburg beträgt nun nur noch vier Punkte, aber von den üblichen Fragen lässt sich einer wie er nicht locken. Man wolle den Platz verteidigen, den man jetzt erklommen habe, sagte er. „Darum geht’s“.

Der VfL Wolfsburg muss jetzt dreimal in Folge auswärts ran: am Dienstag bei Hertha BSC, am Wochenende in Bremen und dann im DFB-Pokal bei Union Berlin. Danach sieht man vielleicht klarer. Das Spiel bei Union am 31. Januar ist dann das letzte in der Amtszeit von Jörg Schmadtke. Den Chefposten als Geschäftsführer Sport übernimmt Marcel Schäfer, von Schmadtke aufgebaut, der als Profi Meister mit dem VfL (2009) und Nationalspieler war.

Möglichkeiten einer VW-Tochter

Bei der Frage der Bewertung der Schmadtke-Jahre werden speziell manche Ligakonkurrenten immer höhnen, dass mit den Möglichkeiten einer VW-Tochter mehr drin sein müsste, und das kann man schon so sehen. Aber andere Manager haben lässig Geld verbrannt und viel weniger erreicht. Schmadtke – aus seiner Freiburger Profizeit von Volker Finke geprägt – hat eher behutsam gewirtschaftet, einige unerwartete Volltreffer gelandet, etwa Xaver Schlager, Wout Weghorst, Lukas Nmecha und natürlich Trainer Oliver Glasner. Und ein paar Mal hat er auch schön daneben gelangt, wir nennen aus Pietät jetzt keine Namen.

Die Bilanz: Bundesligaplätze 6, 7, 4 und 12. Zweimal Europa League, einmal Champions League. „Ich hab sicher nicht alles perfekt gemacht“, sagte Schmadtke in dem erwähnten Interview über sein Gesamtwirken. „Aber ich glaube, insgesamt war es schon okay.“

Das kann man doch so stehen lassen.

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