Kompromisse im Klimaschutz: Das grüne Dilemma

Kompromisse sind harte Arbeit, gerade, wenn es wirklich zählt. Realpolitik kracht jetzt auf Klimaschutz – und wir müssen mit Widersprüchen leben.

Behandschuhte Hände kippen Öl aus einem Kanister auf eine Hand auf Asphalt.

An Positionen einfach mal festhalten: kein einfacher Start in den Kompromiss Foto: reuters / Wofgang Rattay

taz lab, 23.01.2023 | Die Debatte um Lützerath nervt. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass im Tagebau Garzweiler keine weitere Kohle abgebaut wird. Man muss aber anerkennen, dass sich RWE auf einen Kompromiss eingelassen hat, der zu mehr Klimaschutz beiträgt. Bei allem Aufruhr der letzten Wochen habe ich den Eindruck, dass oft vergessen wird, was ein Kompromiss eigentlich bedeutet.

Kompromisse sind harte Arbeit und unbefriedigend. Die eigene Position muss teilweise aufgegeben werden und ich muss meinem verachteten Gegenüber – im Falle von Lützerath ist es ein Konzern, der par excellence für dreckige Energie steht – entgegenkommen. Für die einen ist das unerträglich, für die anderen ein Erfolg. Beides ist richtig.

Portrait Aaron Gebler

Unser Kolumnist Aaron Gebler schreibt diese Woche für die taz-lab-Kolumne "träum nicht weiter" über Kompromissbereitschaft. Foto: Anke Phoebe Peters

Mandatsträger handeln Kompromisse aus und müssen sich um ihre Einhaltung bemühen. Denn Verlässlichkeit bleibt unverzichtbar für weitere Aushandlungsprozesse. Die Zivilgesellschaft ist hingegen dafür da, offensichtliche faule Kompromisse – und dafür mag Lützerath auch ein Beispiel sein – infrage zu stellen.

Aus dieser Aufgabenverteilung ergibt sich besonders für den grünen Teil der Bundesregierung ein Dilemma: Einen Kompromiss, den man noch vor einigen Jahren aus der Opposition heraus kritisiert hätte, muss jetzt verteidigt werden, weil er aus realpolitischer Perspektive zur Lösung eines Problems beiträgt, ohne jedoch den Ansprüchen des Pariser Klimaabkommens zu genügen.

Widersprüche ertragen lernen

Dieses Dilemma ist auf den ersten Blick kein Problem, lässt es sich doch ohnehin nicht endgültig auflösen: Es kann nur abgemildert werden, wenn sich Mandatsträger erklären und auf die Umstände aufmerksam machen, unter denen der Kompromiss zustande gekommen ist. Mit anderen Worten: Beide Seiten müssen Widersprüchlichkeiten ertragen.

Wenn aber Bundestagsabgeordnete die Rechtmäßigkeit dieses Kompromisses offen infrage stellen, der von ihnen zuvor parlamentarisch getragen wurde, missverstehen sie ihre Rolle im demokratischen Großprojekt, mit dem wir in den nächsten Jahren die Erderwärmung begrenzen müssen.

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