Serien-Trend „Corporate Bullshit“: Popkultur gegen Kapitalismus

Pessimismus gegenüber der Arbeitswelt ist Trend-Motiv in Serien. Das spiegelt die wachsenden Zweifel an der „Selbstverwirklichung im Job“.

Szene aus "Upload", schick angezogene Menschen posieren auf einer Couch

Comedy-Serie „Upload“ bei Amazon Foto: Amazon

Unsere Haltung zur Arbeit ist nicht mehr das, was sie einmal war. Auch das haben das vergangene Jahr und seine Debatten vor Augen geführt: „Quiet Quitting“ avancierte zum Modewort. Es bezeichnet eine Einstellung zum Beruf, die einer „stillen Kündigung“ gleichkommt. Anstatt den Job direkt aufzugeben, wird die eigene Leistung auf das Minimum reduziert. Immer weniger Ar­beit­neh­me­r*in­nen scheinen bereit, sich für den beruflichen Erfolg aufzuopfern.

So mancher Kommentar legte sich eine erwartbare Erklärung für das Phänomen zurecht: Die Verweigerungshaltung sei auf die vermeintliche Faulheit der Jugend zurückzuführen. Nimmt man jedoch Kultur als Spiegel der Gesellschaft ernst, deutet ein thematischer Trend innerhalb der im letzten Jahr erschienen Serien darauf hin, dass die Probleme tiefer liegen. Unter den Neuerscheinungen der Streaming-Anbieter hatten Narrative Hochkonjunktur, die sich an etwas abarbeiteten, das sich am besten als „Corporate Bullshit“ bezeichnen lässt.

So etwa die Apple-Produktion „WeCrashed“, die den spektakulären Aufstieg und Fall von Adam Neumann (Jared Leto) nacherzählte. Er wurde mit „WeWork“, einem Unternehmen, hinter nicht mehr als die Idee steckt, ein weltweites Netz aus Co-Working-Spaces zu errichten, zum Milliardär und als nahezu genialer Unternehmer zelebriert – ehe er aufgrund zahlreicher Skandale zurücktreten musste.

Wenig später folgte mit „The Dropout“ auf Disney+ eine weitere mitreißend erzählte Chronik einer beinah unglaublichen Karriere und deren sensationellem Ende. Wie Neumann pries auch Elizabeth Holmes (Amanda Seyfried) ihre „Erfindung“ als revolutionär an. Ebenso wie der „WeWork“-Chef blendete sie In­ves­to­r*in­nen mit ihrer Extravaganz und einer Vita, die sich abseits gängiger akademischer Pfade bewegte. Erst vor wenigen Wochen ist Holmes wegen Betruges zu einer über elfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ihr Unternehmen „Theranos“ entwickelte niemals ein funktionierendes Gerät für ein vereinfachtes Bluttestverfahren.

Die Entzauberung des Start-Ups

Serien wie „WeCrashed“ und „The Dropout“ kann man bei aller erzählerischen Finesse, fantastischer Besetzung und hochwertiger Umsetzung vorwerfen, mit ihrem Fokus auf die gefallenen „Genies“ des Silicon Valley dessen Mythos noch zu nähren. Allerdings sind sie im Hinblick auf das, was sie zu einer neuen Unternehmenskultur vermitteln, die sich spätestens in den späten 2010er Jahren auch hierzulande Bahn brach, überaus erhellend.

Ebenso wie „Super Pumped: Der Kampf um Uber“ – seit Kurzem auf Paramount+ in Deutschland zu sehen – sind diese Serien eine Entzauberung des Start-Ups. Wie die Geschichte um den Gründer der Taxi-App, Travis Kalanick (Joseph Gordon-Levitt), besonders eindrücklich vor Augen führt, ließen sich In­ves­to­r*in­nen und Kun­d*in­nen von der Verheißung locken, dass wahlweise Geschichte geschrieben, die Welt verändert, gar das Leben der Menschen verbessert werden würde. Aber nicht nur die.

Sondern auch die Mitarbeitenden. Alle drei Produktionen unterstreichen, wie weit dieses Sinnversprechen im Arbeitskontext trägt, wie groß die Bereitschaft zur Selbstausbeutung ist, solange die innere Überzeugung da ist, durch seine Tätigkeit ein Teil von etwas Bedeutsamen zu sein – und wie dieses Versprechen erzeugt und am Leben gehalten wird. „WeWork“, „Theranos“ und „Uber“ betonen unaufhörlich ihren Pioniergeist, der von einer in flachen Hierarchien organisierten Belegschaft getragen wird, die als „Familie“ bezeichnet wird. Mit Gesten wie ausschweifenden Partys oder Sommercamps sollen Wertschätzung demonstriert und Gemeinschaft zelebriert werden.

Wie leer dieses Versprechen ist, führt das eigentliche Geschäftsgebaren vor Augen: In den allesamt auf aufwendig recherchierten Podcast-Reihen oder Büchern basierenden Serien ist zu verfolgen, wie katastrophal die Lage am Arbeitsplatz tatsächlich ist. Uber-Fahrer*innen werden in prekäre Beschäftigungen gedrängt, in den Büros herrscht eine sexistische Macho-Kultur, Überwachung und Dauerverfügbarkeit sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Sinnentleerte Arbeitswelt

„Corporate Bullshit“ bildete allerdings auch jenseits der desillusionierten Start-Up-Szene einen Fokus des vergangenen Serienjahres. Mit „Severance“ schuf Dan Erickson eine bissige Satire auf eine Arbeitswelt, die sich nicht nur aufgrund des schädlichen Geschäftsgebarens als Mittel zur Identifikation disqualifiziert, sondern auch über die stupide Routine, die mancher sinnentleerter Job erfordert.

Hauptfigur Marc (Adam Scott) arbeitet in der „Macrodata Refinement“-Abteilung des Großkonzerns „Lumon“. Seine Aufgabe besteht darin, Zahlenfolgen in Kategorien einzuteilen. Obgleich die Vorgesetzten die Bedeutsamkeit der Abteilung betonen, weiß kei­ne*r der Mitarbeitenden, was das Unternehmen eigentlich tut oder was sie mit ihrer Arbeit bewirken.

Der metaphorische Gehalt der Apple-Serie ist mehr als ein bloßer Verweis auf die Schwierigkeit einer gesunden Work-Life-Balance: „Lumon“ bietet seinen Angestellten an, sich einen Chip ins Gehirn verpflanzen zu lassen, durch den die Erinnerungen von Privat- und Berufsleben streng getrennt werden. Überschreiten Mark und seine Kol­le­g*in­nen die „dissoziative Schwelle“ des Büros, können sie sich drinnen nur noch an die Geschehnisse am Arbeitsplatz erinnern.

Quit Quitting – traurig, aber nachvollziehbar

Ebenfalls als Mahnung vor dem „Corporate Bullshit“ verstehen kann man die Serie „Upload“ von Amazon. In deren zweiter Staffel geht es um eine technische Entwicklung, die es ermöglicht, das Bewusstsein von Verstorbenen in eine digitale Welt hochzuladen. Je nachdem wie zahlungskräftig der Tote ist, gestaltet sich das Jenseits komfortabel – oder lediglich als Fortsetzung des Diesseits.

Die Fragen, die sich hier aufwerfen, sind ebenso zynisch wie treffend: Müssen wir zu einem Niemand werden, unser eigentliches Selbst, Wünsche und Ziele ausblenden, um bedeutungsleere Tätigkeiten zu ertragen? Gibt es das gute Leben erst nach dem Tod – und gegen Bezahlung? Oder im Hinblick auf gegenwärtige Debatten anders ausgedrückt: Ist „Quiet Quitting“ nicht eine traurige, aber letztlich nachvollziehbare Reaktion auf eine Arbeitswelt, die jedem menschlichen Sinnbedürfnis zuwiderläuft?

Dass sich gerade jetzt auffallend viele Serien mit „Corporate Bullshit“ beschäftigen, muss nicht darauf hindeuten, dass das kapitalistische Versprechen von Wohlstand und Freiheit durch Arbeit tatsächlich am Ende ist. Allerdings ist auch seine jüngere Erweiterung „Selbstverwirklichung für alle“ in der mainstreamigen Serienwelt angekommen. Das verdeutlicht, wie offen auch diese mittlerweile angezweifelt wird.

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