Berlin in Städterankings: World's top city (nach Mainz)

Städterankings sind nicht nur sinnlos, sondern sogar gefährlich. Für die Bewohner drohen bei guter Platzierung vor allem Verschlechterungen.

2 Menschen schießen ein Selfie vor dem nächtlich beleuchteten Brandenburger Tor

Berlin! So hip! Foto: dpa / Christoph Soeder

BERLIN taz | Berlin ist wahnsinnig dynamisch. So dynamisch, dass die Senatskanzlei mit nur drei Wochen Verspätung stolz wie Oskar auf das Städteranking Cities in Motion der IESE Business School München hingewiesen hat, das die Stadt hinsichtlich Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit auf Platz 5 von 183 untersuchten Städten listet. Die Platzierung gleich hinter London, New York, Paris und Tokio lässt im vergleichsweise zwergenhaften Berlin die Sektkorken knallen.

Stark in Berlin sind der Studie zufolge die Ber­li­ne­r:in­nen selbst. Im Bereich Human Ressources schneidet die Stadt gut ab, nicht so gut dagegen, was das Zusammenleben der Ber­li­ne­r:in­nen angeht, gemeint ist offenbar der soziale Zusammenhalt. Verstehe das, wer will. Schwer nachvollziehbar zudem, wieso die Stadt, die jede unbebaute Fläche mit lebensfeindlichen Bürotürmen zukleistert, ausgerechnet in der Kategorie stadtplanerische Kompetenz gut dasteht. Zugute kommt Berlin dann noch die Verkehrsinfrastruktur, die internationale Ausstrahlung und die Gewinnung von Talenten, wohingegen die Wirtschaftskraft nur für einen Mittelfeldplatz ausreicht.

Die Orientierung der Städte an dem, was in erster Linie Wirtschaft und Tourismus dient, hat so unangenehme Folgen wie Stadtmarketing, Selbstvermarktung oder Steuerkonkurrenz.

Der Neuigkeits- oder Informationswert dieser und anderer Studien tendiert für gewöhnlich gegen Null. Den überwiegend wirtschaftsnahen Instituten, die sich einen Wettkampf um das beste Städteranking liefern, geht es vor allem um Aufmerksamkeit. Produziert wird dann meist allerlei Unsinn anhand von Indizes, die mit dem normalen Leben der Be­woh­ne­r:in­nen kaum noch etwas zu tun haben.

Der schönste Park nützt nichts

Ein Beispiel dafür liefert auch ein Städteranking von IW Consult, das die dynamischsten deutschen Großstädte listet. Hier liegt Berlin gar auf einem zweiten Platz, knapp hinter der boomenden Metropole Mainz – und das bei Indikatoren wie Wirtschaftskraft, Baungenehmigungen und Nachhaltigkeit.

Zumindest bei letzterem müssen die deutschen Vergleichsstädte wirklich schlecht performen, denn Berlin belegt gar den ersten Rang im Sustainable Cities Index 2022. Grünflächen und eine vergleichsweise geringe Umweltbelastung reichen trotz Nachholbedarfs im Bereich Treibhausgasen für die Pole Position. Nimmt man jedoch die Kategorien Profit (wirtschaftliche Entwicklung) und People (Verkehrsinfrastruktur, Kriminalität, Bildung) dazu, reicht es nur für Platz 5. Es nützt also der schönste Park nichts, wenn einem dann die Tasche geklaut wird.

Gefährlicher als die nationalen Studien sind dann schon jene internationalen mit großer Aufmerksamkeit. Denn wohin soll das internationale Kapital samt seiner Charaktermasken ziehen, wenn nicht in die Städte, denen die höchste Lebensqualität nachgesagt wird. Immerhin zwölf Städte, zuallererst Wien, hat es da in einer Hitlist der Economist-Gruppe schlimmer getroffen. Trotzdem, 159 Städte liegen, auch angesichts von untersuchten Faktoren wie Stabilität, Gesundheitsversorgung oder Kultur, hinter Berlin.

Auch in Neukölln müsste sich der Jubel der Einheimischen in Grenzen halten über eine Top-Platzierung der trendigsten Nachbarschaften der Welt. Denn, wo alle nur der Coolness folgen, wird es schon bald ziemlich öde.

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