Berlins Politik nach Silvester: Polizei sucht nach Tätern

Die Polizei wertet Videomaterial aus, Innensenatorin Spranger will Bodycams. Im Innenausschuss befasst sich mit Silvester – und den Rassismus der CDU.

Ausgebrannter Bus

Ausgebrannter Bus in Neukölln Foto: Markus Schreiber/ap

BERLIN taz | Die Ermittlungen nach den Angriffen auf Po­li­zis­t:in­nen und Rettungskräfte in der Silvesternacht laufen „mit Hochdruck“. Das sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag bei einer Sitzung des Innenausschusses, bei der sie den Einsatz mit insgesamt etwa 3.000 Beamten verteidigte. Die Gewalt, registriert wurden 49 Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte, sei „nicht erwartbar“ gewesen.

Konzentriert werde sich derzeit auf die „Auswertung des umfangreichen Videomaterials“ aus eigenen Aufnahmen, Social Media und 100 Datenpakten mit Fotos und Videos, die der Polizei über ein Hinweisportal von Bür­ge­r:in­nen zugespielt wurden. Auch gelöschte Videos, in denen mit den Taten geprahlt wurden, hinterließen für die Polizei Spuren, so Slowik. Ein Tatverdächtiger sei so bereits ermittelt worden. Eingesetzt würden sogenannten Super-Recognizer mit besonderen Fähigkeiten Gesichter wiederzuerkennen.

22 Verfahren mit zehn Tatverdächtigen seien bislang an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden, die eine mit Großlagen und Fußballgewalt erfahrene Schwerpunktabteilung zur schnellen Bearbeitung der Verfahren eingesetzt hat. Insgesamt waren in der Silvesternacht 145 Personen vorübergehend festgenommen worden.

An der Tatsache, dass sich darunter etwa ein Drittel deutsche Staatsbürger:innen, aber auch Menschen mit 17 anderen Nationalitäten befunden haben, war eine rassistische Debatte entbrannt. In einem vergangene Woche eingereichten Fragenkatalog wollte die CDU die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen wissen. Parteichef Kai Wegner verteidigte dies in einem am Montag erschienenen Interview mit der Welt mit dem Ansinnen „den Täterkreis genau zu kennen“; auch seine Kollegen im Innenausschuss distanzierten sich nicht.

Dabei ist inzwischen klar: Nur 38 der Festnahmen stehen im Zusamenhang mit Angriffen auf Polizei oder Feuerwehr. Zwei Drittel jener vermeintlichen Tä­te­r:in­nen sind Deutsche, die Mehrheit unter 21 Jahren. Wie alle Red­ne­r:in­nen der Koalitionsfraktionen kritisierte der Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco das Ansinnen der CDU. Er sagte: Eine Debatte über Vornahmen „ist diesem Ausschuss nicht würdig“. Der Linke Ferat Kocak benannte eine Kundgebung der Nazi-Kleinstpartei 3. Weg am Montag auf der Sonnenallee als „Folge der rassistischen ‚Integrationsdebatte‘ der sogenannten bürgerlichen Parteien“.

Schnellverfahren nicht immer möglich

Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) stellte sich auf Anfrage der taz gegen die pauschale Forderung, die Tä­te­r:in­nen möglichst schnell abzuurteilen und dafür das vereinfachte Jugendstrafverfahren nach dem Neuköllner Modell zur Anwendung zu bringen: „Bei schweren Straftaten, mit denen wir es wohl bei den Silvester-Ausschreitungen zum Teil zu tun haben, braucht es umfangreiche Ermittlungen. Deshalb ist ein beschleunigtes Verfahren, bei dem eine Jugendstrafe droht, also eine Freiheitsstrafe für Jugendliche und Heranwachsende, nicht möglich.“ Gleichwohl sei es „aus erzieherischen Gründen sehr sinnvoll, wenn eine strafrechtliche Entscheidung schnellstmöglich auf die Tat erfolgt“.

Im Innenausschuss präsentierte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ihre Ideen für Konsequenzen aus den Vorfällen, denn: „Ich benenne nicht nur Probleme, ich benenne auch Lösungsansätze“. Spranger lobte zudem ihren Einsatz für die Polizei vom ersten Tag ihrer Amtszeit an und ihre Verlässlichkeit. Aufrüsten möchte sie die Polizei nun mit Bodycams, so wie es sich ein von ihr besuchter Abschnitt der Polizei im Wedding gewünscht habe. Statt 300 Kameras zu Testzwecken will sie möglichst schnell 4.000 Stück anschaffen. „Gegen Sachverstand habe ich nichts“, so Spranger, die damit einer verabredeten Evaluierung vorgreifen will. Bei ihren Koalitionspartnern Linke und Grüne stieß Spranger mit ihrer Idee auf Ablehnung.

Weniger kontrovers in der Koalition ist hingegen der Wunsch das Waffenrecht zu verschärfen und den Erwerb von Schreckschusswaffen und Munition an einen kleinen Waffenschein zu koppeln. Diesem Wunsch hat sich auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeschlossen. Denkbar sei laut Spranger eine Flexibilisierung des Sprengstoffrechts für die Bundesländer.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.